Tauben vergiften im Park

Story

Frühlingsgefühle: „“Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau. Gemma Tauben vergiften im Park! Die Bäume sind grün und der Himmel ist blau. Gemma Tauben vergiften im Park!“ Der, dem die Aussicht auf den ungewöhnlichen Zeitvertreib wohlige Schauer bis ins innerste Mark trieb, war Georg Kreisler. Und just bei seinem berühmtesten Lied, das an ihm pickt wie ein Taubenpatzerl auf dem Kopf einer Statue, musste er sich des Plagiatsverdachts aussetzen. Kreisler wurde vorgeworfen, bei Tom Lehrer abgekupfert und sein Lied “Poisoning Pigeons In The Park” ohne Rücksprache ins Wienerische übertragen zu haben. Was er vehement bestritt, obwohl die Ähnlichkeit verblüffend ist. Lehrer nahm’s mit Sarkasmus und und bedankte sich öffentlich, dass Kreisler sein Lied im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht hatte.

Kreisler wusste durchaus, wie man Lieder schreibt: “Man nehme ein an und für sich grausiges Ereignis und übertreibe es maßlos, sodass es seinen Schrecken verliert und grotesk wird. Und dann muss man nur noch eine Melodie schreiben, die gar nicht dazu passt“. So entstanden Lieder wie “Der Tod, der muss ein Wiener sein”, “Wien ohne Wiener” oder “Der guade, oide Franz“, die er später “Everblacks” nannte.

1955 war Kreisler, der 1938 als 16jähriger mit seiner Familie vor den Nazis in die USA geflüchtet war, nach Wien zurückgekehrt. Er trat mit seinen makabren Chansons in Gerhard Bronners Marietta-Bar auf und betrieb mit ihm das Intime Theater, wo auch Helmut Qualtinger zugange war. Kreisler war aber nur bedingt teamfähig. 1959 zerkrachte er sich endgültig mit Bronner und schied aus dem “Namenlosen Ensemble” aus.

Autor, Komponist, Pianist und Interpret: Nach erfolgreichen Jahren in Berlin und Basel schlug das Multitalent 2007 mit seiner 4. Ehefrau Barbara Peters den Alterssitz in Salzburg auf. Sein Werk umfasst über 500 Lieder, Romane, Essays, Kurzgeschichten, Theaterstücke und zwei Opern. Beim Motzart Festival in Salzburg im Februar 2009 – das war Kreisler schon 87 – meinte er kokett: „Mir fällt einfach nichts mehr ein“, wenn man von meinen Gedichten absieht““. So las er aus dem Buch “Zufällig in San Francisco: Unbeabsichtigte Gedichte“” und bewies sich als echtes Zirkuspferd. Schwerfällig tapperte er zum Lesetisch, doch – kaum im Rampenlicht – straffte sich sein Körper. Unter tosendem Applaus setzte er zur Levade an.

1988, als Barbara Peters in den Salzburger Kammerspielen „“Heute abend: Lola Blau““ spielte, durfte ich Georg Kreisler für ein Stadtmagazin interviewen. Er konnte sich zwar nicht mehr daran erinnern, ich aber noch sehr gut. „“Ich will kein lebendes Denkmal sein“, sagte Kreisler damals, und so lautete auch der Titel des Artikels. Der Auftritt in der Arge Nonntal war einer seiner letzten. Im November 2011 starb der Kabarett-Großmeister im 90. Lebensjahr. Er wurde auf dem Waldfriedhof Aigen bestattet.

Anstatt Blumen lege ich manchmal einen Stein auf sein Grab – so wie es die jüdische Tradition vorsieht.

© 2022-04-04

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