Tausche Erkenntnis gegen Erwartung

Elisabetta_Ardore

von Elisabetta_Ardore

Story

Wenn es etwas in meinem Leben gibt, das ich gerne ein für alle Mal loswerden möchte, dann ist es das Gefühl des „ent-täuscht-Seins“. Immer wieder passiert es mir, dass ich offenbar unrealistische Hoffnungen an das Leben und die Protagonisten meines Umfelds richte – obgleich mein Selbst die Lektion bereits zur Genüge kennt und mein scharfer Verstand es besser wissen müsste. Doch irgendetwas in mir, lässt mich in dieser Hinsicht nicht vorankommen.

Auch wenn sie sonst so ihre Unzulänglichkeiten hat, ist die deutsche Sprache hier prädestiniert, den Sachverhalt auf den Punkt zu bringen. Enttäuschung impliziert, dass die Täuschung enttarnt wird und das Wahre zu Tage tritt. Unschön, ungeschminkt und – in meinem Fall – unabdingbar. In meiner astrologischen Analyse ist es sogar belegt. Ich „leide“ an Enttäuschungssucht. So hat es mir zumindest die Astrologin meines Vertrauens attestiert. Dass sie eine Meisterin ihrer Disziplin ist, dafür steht mein Erfahrungsschatz gerade.

Erst heute hatte ich einmal mehr die Möglichkeit, der Realität ins Auge zu blicken. Besuch hat sich angekündigt und ich war voller Freude auf ein wenig herzerwärmenden Austausch. Ich habe in aller Wertschätzung noch einen Kuchen ins Rohr geschoben und mein Heim war erfüllt von seinem Duft. Alles war vorbereitet, die Erledigungen des Tages gemacht und das Chaos des Alltags feinsäuberlich verstaut. Meine Antennen waren ausgerichtet und meine gedankliche Kommunikationsagenda fixiert. Natürlich kam alles anders, als erwartet. Ich hatte geschäftig die gute Gastgeberin gemimt und als ich endlich zum Tisch setzte, um mich auszutauschen, war die Zeit um. Was jedoch noch viel mehr schmerzte, war die Tatsache, dass ich das Gefühl hatte, mein Besuch war erleichtert. Wieder einmal bin ich als die, die ich bin, nicht „gelandet“. Meine angerissenen Themen wurden mit einem knappen „hm“ oder einem verbalen Hakenschlag quittiert. Nicht, dass ich das nicht ausreichend erfahren und erlebt hätte – irgendetwas tief in mir erwartet dennoch, wider jeglicher Vernunft, dass es sich verändert hätte. Gar nicht im Außen, sondern in mir selbst. Warum warte ich beständig auf das Schiff am Bahnhof? Es wird nicht kommen, da Schiffe nun mal nicht am Bahnhof einlaufen. Mein Kopf weiß das. Mein verletztes Herz hat hier zeitlebens eine Lernschwäche. Ich tippe auf Legasthenie oder gar Autismus.

Was bleibt, ist der schale Geschmack der Schwermut, über die kein selbstgebackener Kuchen dieser Welt hinweg zu trösten vermag. Abermals hat die Erfahrung über die Erwartung gesiegt und ich bin wie bestellt und nicht abgeholt am Bahnsteig zurückgeblieben. Allein und mit der Gewissheit im Gepäck, dass das Schiff nicht kommen wird. Deshalb überlasse ich dem guten, alten Freddy Quinn das Ende der Geschichte mit den Worten: „Seemann, lass das Träumen. Deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Sterne und nur ihnen bleib‘ ich treu.“ Adieu Erwartung. Ahoi Erkenntnis.

© Elisabetta_Ardore 2022-01-24

Hashtags