Taxi, Mozart, Trauzeuge

Rupert Schmitz

von Rupert Schmitz

Story

Langsam setzt das elfenbeinfarbene Mercedes-Taxi zurück. Der Chauffeur versucht, die Nummern der Häuser, die auf der Fahrerseite am Parkplatz in der Mozartstraße im Dunkel liegen, zu erkennen, zu systematisieren, um seinen Zielpunkt orten zu können. Nicht ganz leicht in der Nacht. Konzentriert haftet sein Blick an der Häuserzeile, immer wieder kurz unterbrochen von einem Blick in Fahrtrichtung, Sicherheit wird nicht nur als Wort großgeschrieben. Es kann ja eigentlich nichts passieren, niemand unterwegs zu dieser Uhrzeit. Ein Ruck erschüttert den Wagen, ein metallisches Kreischen ist zu hören, der Fahrer wird an die Rückenlehne gedrückt, das Taxi ist an der Kofferraumseite plötzlich gesunken, es rührt sich nichts mehr, die Antriebsräder hängen in der Luft. Das ist der Beginn meiner tiefen Freundschaft, Verbundenheit und Liebe mit meinem Freund Carsten, meinem Trauzeugen.

Der Parkplatz hat zwei Ebenen, die sich auf unterschiedlichem Niveau befinden. Er ist in der Mitte auf einmal 70 cm tiefer … oder höher, je nachdem von welcher Seite man kommt. Kein Naturstein, Gitter, Zaun, keine Schranke, kein Schild zeigt den Ebenensprung an. So ein verdammtes Glück! Hat Carsten natürlich nicht gedacht, als er den Schlamassel erkannte. Reduzierter Umsatz, Plackerei war absehbar. Verständigung der Zentrale, Ersatztaxi für den Kunden und Pannenhilfe anfordern, das kann dauern. Die Meldung über den Hilfsbedarf eines Kollegen erreichte mich in meinem Taxi, einem schniekem Ford Mondeo Kombi mit Automatik, den glücklicherweise niemand fahren wollte (Automatik ????). Nicht so ein mondäner Untersatz wie Carsten ihn fahren durfte, der schon länger im Betrieb tätig war. Einem Kollegen helfen? Reduzierter Umsatz, Plackerei? Ja. Ich bekam die Nummer von Carsten, rief ihn an, er bedankte sich kurz und erklärte mir dann, was ich wo aus der Zentrale mitbringen sollte, minutiös, ein Bautechniker weiß, was man da so braucht. Schleppkette, 2 Holzbohlen, nein lieber drei, Keile, Bretter, den Werkstattwagenheber … ich kann mich da nicht mehr so ganz dran erinnern, bin eher ein tapsiger Amateurhandwerker.

Auf zur Zentrale, alles einladen, dann nach Reppenstedt, Carsten suchen. Ich grinste innerlich, als ich ihn fand. Durfte ich nicht zeigen, Carsten ist ein beeindruckender Mann und ich kannte ihn ja nicht. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir schufteten, aber wir fanden schnell eine gemeinsame Ausrichtung im Tun. Den gestrandeten Wagen am Heck aufbocken, abgesicherte Bohlen drunterschieben, bis die Räder mit mehr als einem halben Durchmesser über dem Rand des Ebenensprungs standen. Ein junger Mann aus der Häuserzeile kam uns noch zur Hilfe, brachte Kaffee, packte an, wir plauderten angenehm. Schleppkette am Ford und Mercedes anbringen, dann zog ich Carsten mit seinem Vehikel aus dem Schlamassel.

Das ist der einzige Weg, den ich kenne, tiefe Verbundenheit und Freundschaft mit einem einzigartigen Mann zu finden. Daher mein Ratschlag, meine Anleitung: Werdet Nacht-Taxifahrer in Lüneburg, wartet auf einen Notruf aus Reppenstedt, Mozartstraße, seid dienstbar und hilfreich, es wird euer Leben bereichern und die Welt ein kleines Stück besser machen.

© Rupert Schmitz 2025-06-06

Genres
Lebenshilfe
Stimmung
Informativ, Inspirierend
Hashtags