von Michael Schaake
7 Jahre alt, ich hatte Husten, bei einer Röntgenaufnahme wurden Schatten auf der Lunge festgestellt. Ich weiß nicht mehr genau, wie das mit der Diagnose war, in meiner Erinnerung Verdacht auf eine unbemerkt überstandene Tuberkulose und die Hoffnung, dass die schon wieder weg sei, aber eben die Schatten auf der Lunge.
Onkel Doktor Gielen und mein Vater (Witwer) entschieden, mich für 6 Wochen in einen Luftkurort zu schicken, die Wahl fiel auf die ostfriesische Insel Borkum. Vater fuhr mich mit dem VW-Käfer nach Emden, dann zusammen mit anderen Kindern die Fähre nach Borkum, nebenbei meine erste Schifffahrt auf See. TBC hin oder her, für mich als Kind ein großes Abenteuer, ich war immer schon gespannt auf Neues und furchtsam sein war nicht mein Fall.
Kinderkurheim, ich hatte ausgesprochenes Glück, das Heim war schön, die Betreuung freundlich und zugewandt. Das war nicht überall so, wie ich heute weiß, Stichwort Verschickungskinder. Vielleicht ein Verdienst von Vater und Dr. Gielen, dass sie das Heim sorgfältig ausgesucht hatten.
Für uns alle (über 50 Kinder?) ein schönes großes Haus mit Schlafsälen, gemeinsamer Speisesaal, Aufenthaltsräume, kurzer Weg zu Strand und Dünen. Morgens eine Art Ersatzunterricht, damit wir den Anschluss an die Schule nicht verlieren. Mit dem Wissen von heute würde ich sagen, vorbildlich und der Zeit voraus, wir waren nicht alle gleichaltrig, nicht im gleichen Schuljahr. Am Nachmittag spielen oder ab an den Strand oder in die Dünen. Ich weiß wirklich nicht mehr, welche Jahreszeit es war, erinnere mich natürlich nur an gutes Wetter.
Am Abend wurde gelesen oder vorgelesen, ich konnte schon gut lesen, aber nicht alle. So viel lesen war für mich mit 7 natürlich neu, fand ich toll. Im Nachhinein denke ich, die meisten Betreuer waren von der Insel oder der Küste: wir lasen viele spannende Geschichten über gefährliche Einsätze der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und Abenteuer auf hoher See, Märchen und Rittersagen fehlten auch nicht, aber die Helden waren für mich die Seemänner. Vielleicht haben die Reise und die Lektüre unbewusst mein späteres Leben beeinflusst, viele Jahre beruflich auf See. Mein Sohn arbeitet heute ehrenamtlich für die Nachfolger der erstgenannten Hilfsorganisation, Die Seenotretter DGzRS.
Vieles habe ich nur dunkel in Erinnerung, in diesen Jahren ist viel in meinem jungen Leben passiert, Veränderungen, nicht nur auf Borkum, sondern auch im realen Leben zu Hause in Düsseldorf. Ich weiß noch, dass ich mit Bedauern abreiste, unbeschwerte Ferien und dazu noch auf einer Insel im Meer, ich war mächtig stolz. Kur – was ist das?
Wieder zuhause, die Schatten auf der Lunge waren weg, Problem erledigt. Ab jetzt wieder Alltag – nicht ganz, andere Geschichten! Ich bin jedenfalls Vater und dem Arzt immer noch dankbar, sie haben damals eine gute Entscheidung für mich getroffen.
Mit 7 noch kein eigener Fotoapparat (ein Jahr später), daher Karte von Borkum aus Wikipedia Open Media.
© Michael Schaake 2021-09-30