TE DEVM (I/II)

MISERANDVS

von MISERANDVS

Story

Als ich die Glotze anschmeiß‘, um mir die Doku, bei der ich eingepennt bin, fertig anzusehen, läuft grad die Sonntagsmesse. Ich schaue eine Weile – der Katholiken-Pfaffe ist heute der MC. Es braucht nicht lange, bis ich lachen muss und dann das erste Mal laut “Scheiße!”, sage. Der alte Preacher-Man liest aus dem Buch der Bücher, und seine Stimme ist so seicht und zittrig, dass ich ins Gähnen komme. Dann hebt er sie hoch, die dicke Bibel, und macht damit die Runde um den Altar, zeigt sie dem Pöbel – schriftgeword’nes Bildnis der Worte uns’res Herrn – und ich, ich drücke ihm die Daumen, dass er die Kraft hat, nicht vorne über hinzuschlagen, weil seine alten Arme gar so zittern.

Musik beginnt. Die Orgel-Mucke greift dramatisch ins Geschehen ein. Es donnernd Pfeifen so gewaltig, als stünde die Armee des Himmels vor den Toren. Das hat viel Schönes, das war immer meins. Die Druckluft-Tastenklampfe hab ich immer gern in meiner Brust gespürt, als ich noch in den Reihen saß, am Sonntagmorgen, aus dem warmen Bett getrieben, um auf den Knarzebänken die klammen Fingerchen zu falten und meinen Arsch mir abzufrieren. Schon damals war ich neidisch auf die Protestanten: Die hattens immer warm in ihren Messen. Doch ich war auch ganz sicher: Der Herrgott liebt sie nicht so sehr wie uns, denn so ein Vaterunser gilt viel mehr und zählt gleich doppelt für die Seele, wenn dir beim Rezitieren, die Beißer kappernd aufeinander scheppern vor Kälte wie ein Sack voll Wäscheklammern.

Der Chor stimmt einen Hit an, den ich kenne, der Dirigentius, er fuchtelt mit den Armen in weitem Bogen, als hielte er die Massenstimmen aus einer Verdi-Oper wild im Zaum. Allein, drei alte Weiber und ein hochbetagter Zausel bilden seinen Chor und jaulen ganz erbärmlich vor sich hin. “Wer schlägt denn hier ‘ne Katze?”, will man sich unvermittelt fragen. Dem Chor-Dompteuren ist’s egal. Er fuchtelt weiter, als ging‘ es um sein Leben.

Dann kommt der Youngster-Kuttenbrunzer an das Micro. Der alte Pfaffe stirbt derweil im Hintergrund ganz langsam, wankend, vor sich hin. Ich schöpfe Hoffnung. Die letzte Chance, die Nummer rauszureißen. “Lasset uns beten!” Die Menge hebt sich hörbar von den knarzenden Arschplanken. “Herr, unser Gott…”, setzt er an, und er liest mit monotoner Stimme vor, was er sich wohl am Vorabend zurechtgeschrieben hat. Ein furchtbares Gesäusel ist das. Ich mache lauter, und ich mein‘, der Herrgott selber drück auf seiner “Macht” grad auch ein paar Mal hektisch auf das +. Als wären in dem Text auf seinem Blatt nicht Komma, Punkt noch Strich palavert er, der Pontifex Minimus, in einer drögen Wurscht aus Worten ohne Klang dahin. Die Handlung seines Betens ist auch nicht spannend, ist tausendmal Gehörtes, keine frischen Worte. “So ein öder Pfurz!”, hör ich mich raunen; der Herrgot schaltet jetzt wohl ab.

“Und so beten wir, wie uns Jesus gelehrt hat, zu beten.”, höre ich ihn flüstern: Das Vaterunser. Das Gebet der Gebete kömmt.

[…]

© MISERANDVS 2021-10-24

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