Er kam zu mir, sie nahm sanft meine Hand, er lĂ€chelte mich an, oder sie sprach mich an. So sollte vielleicht eine meiner Geschichten klingen, aber mehr die RealitĂ€t in Betracht gezogen klingt es eher so, er lief an mir vorbei, sie lĂ€chelte jemanden hinter mir an, er ignorierte mich oder sie lachte mich aus. Das mag vielleicht depressiv klingen, aber man gewöhnt sich dran. Wirklich. Okay, das stimmt nicht. Man kann sich an so etwas nicht gewöhnen. Man vertraut immer wieder, und wird immer wieder enttĂ€uscht. Man wĂŒrde denken, dass man nach einem Absturz etwas dazu gelernt hat. Aber vor dem nĂ€chsten Absturz folgt der gleiche Fehler. Und nachdem man sich schon zweimal verbrannt hat, stĂŒrzt man sich sofort in das nĂ€chste Feuer. Bevor man sich ĂŒberhaupt erholt hat, ist schon der nĂ€chste Schlag ins Gesicht auf dem Weg. Immer wieder vertraut man und immer wieder dieselbe EnttĂ€uschung. Ich hab es satt. Man kann nicht immer nur SchlĂ€ge kassieren. Wenn man nur verletzt wird, verblutet man. Wenn man psychisch verletzt wird, verblutet das Herz.
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Der Bach plĂ€tscherte friedlich vor sich hin, die BlĂ€tter raschelten sanft und die Sonnenstrahlen schimmerten leicht durch die Baumkronen. Es riecht nach frisch gemĂ€htem Gras und Erde. Jenny liebte diesen Ort schon immer. Als sie noch ein kleines Kind war, ging sie jeden Tag mit ihrer GroĂmutter hin und nachdem diese dann gestorben war, ging sie jedes Mal hin, wenn sie in Ruhe gelassen werden wollte oder ĂŒber etwas nachdenken musste. Sie konnte stundenlang auf ihrem Denkfelsen sitzen und nachdenken. Ăber vergangenes, gegenwĂ€rtiges und zukĂŒnftiges. Heute war einer dieser Tage, an denen sie froh darĂŒber war, so einen Zufluchtsort zu haben. Sie saĂ auf dem kalten Stein und sah in die Ferne. BĂ€ume ĂŒberall nur BĂ€ume, wohin man auch sah alles BĂ€ume. Sie fragte sich, wie es wohl sein wird, wenn sie in einem Jahr in eine GroĂstadt ziehen wird? Wird sie diesen Ort vermissen? Wird sie einen Ă€hnlichen finden? Oder wird es ganz anders, da sie alleine wohnen wird? Wird sie einen anderen Ort brauchen, an dem sie alleine sein kann, wenn sie immer alleine sein wird?
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Ich hasse sie! Nein! Wie kann ich diese Person hassen? Wie kann ich jemanden hassen, den ich nicht kenne? Von dem ich nicht einmal weis das es ihn gibt. Ich weiĂ nur, dass sie mir weggenommen hat, was ich wollte. Selbst das ist nicht wahr, nicht einmal das ist ihre Schuld. Ich war einfach die zweite Wahl. Oder die dritte, vierte, fĂŒnfzehnte? Auch egal, alles, was ich weiĂ, ist, dass die andere Person eben die erste Wahl war, besser als ich, schöner als ich. VerstĂ€ndnisvoller. Netter. Alle guten Eigenschaften eben an denen es mir fehlt. Du bist eben nichts wert. Sei ehrlich zu dir, was kannst du eigentlich, was hast du denn erreicht? Nichts.
© Daydreaming_Night-owl 2025-08-15