von Wittkopp
In meiner Stube direkt über meinem roten Sofa hängt ein Bild. Der Grundton ist Grün. Sogar der Himmel in diesem Bild ist Grün. Es wirkt auf mich wie eine Grüne Wiese mit vielen Blumenköpfen in rosa, rot und weiß. Bellis könnten es sein. Und Gänseblümchen. Der Künstler ist mir nicht bekannt, aber die Vorbesitzerin dieses schönen Bildes. Es gehörte meiner Freundin Gerda. Bei den intensiven Teestunden, die ich bei Gerda in den letzten Jahren verbracht habe, haben wir uns oft über Kunst und schöne Dinge unterhalten. Nachdem ich das oben benannte Bild immer wieder bewundert habe, hat sie es kurzerhand bei einem Besuch von der Wand genommen und mir geschenkt. Gerda hat gerne Geschenke gemacht. Das besondere dabei ist, das diese Geschenke unvermittelt aus ihrem Herzen kamen. Kein verpflichtendes Gefühl war dabei, sondern die pure Lust sich selbst zu verschenken, sei es mit einem Bild, einem Schal oder einem Mantel. Gerda schenkte gerne.
Wenn ich bei Gerda im Wohnzimmer saß, fühlte ich mich immer unglaublich wohl. Gemütlich war es bei ihr. Und heimisch. Wahrscheinlich fühlte ich mich deshalb so wohl, da wir viele gemeinsame Vorlieben hatten. Kunst. Kultur. Natur. Bücher. Auch den christlichen Glauben teilten wir in diesen Teestunden. Gerda hatte nach meinem Verständnis einen Blick fürs Detail und für die Vielfalt. Insbesondere in der Kunst war das zu erkennen. So konnte es passieren das man neben Gustav Klimt`s Kuss, ein Foto Portrait von Wladimir Klitschko fand. Gegensätzlichkeiten hatten bei ihr Raum. Harmonisch vereint, sozusagen. In ihrem Flur schmückte ein ganz besonderer Jahreskalender ein Regal. Er besteht aus 12 verschiedenen kleinen Holz Eulen. An jedem 1. des Monats musste eine Eule weiter rücken. Eulen gelten nicht erst seid Harry Potters liebenswerter Schneeeule Hedwig zu den Symbolen der Weisheit und Kraft. In vielen Kulturen repräsentiert die Eule die Fähigkeit, durch Dunkelheit zu sehen und Dinge zu entdecken, die anderen verborgen bleiben. Ich glaube meine Freundin Gerda hatte ebenfalls die Fähigkeit Dinge zu sehen, die andere nicht sehen konnten.
Gerda ist im Januar heimgegangen. So benennen Christen den Tod eines Menschen. Die Vorstellung das Gerda nun zu Hause ist, in ihrer eigenen himmlischen Wohnung und insbesondere bei all den Menschen die sie hat vorausgehen lassen müssen, ist ein großer Trost. So können sich auch hier die Gegensätze gefühlsmäßig vereinen. Trauer und Dankbarkeit machen sich in mir breit. Und das Gefühl von Freude und die Gewissheit, das Sie nun geborgen in Gottes Liebe ruhen darf.
Auf Wiedersehen, liebe Gerda.
© Wittkopp 2025-02-03