von Tim-Dylan Späth
Ein lautes Glockenspiel ertönte aus dem anderen Ende des Raumes. Das Telefon war zwei Stufen zu laut eingestellt und hallte daher durch die gesamten 12 Quadratmeter, die sein Zimmer ausfüllten.
Daniel wachte erschrocken auf und sah auf seine Uhr, dass es erst 9 Uhr morgens war. Er kroch verärgert unter seine Bettdecke und fragte sich: „Warum muss jemand um diese Uhrzeit bei mir anrufen? Kann man nicht einmal ruhig ausschlafen, ohne aus dem Schlaf gerissen zu werden?“ Er hoffte, dass das Telefon bald aufhören und dadurch wieder Ruhe einkehren würde. Doch nachdem es laut piepste und wenige Sekunden Ruhe herrschte, war eine Stimme durch den Anrufbeantworter zu hören.
„Hi, hier ist, wie du vielleicht schon hören kannst, Theo.“ Eine Stille trat ein, und Daniel dachte, dass Theo wohl wie immer nicht genau wusste, was er eigentlich sagen wollte, und nun schnell einen Notfallplan entwarf, um nicht wie ein Idiot dazustehen. Er wusste, dass diese Nachricht wieder eine seiner poetischen Nachrichten werden würde, um sich für irgendetwas zu entschuldigen, das er verursacht hatte. Deshalb konnte er das Ausschlafen wohl vergessen und begab sich langsam in Richtung des Badezimmers. Er wollte Theo noch etwas zappeln lassen und hören, was nun von seinem Gewissen Besitz ergriffen hatte.
Nach einer Minute der Stille fuhr Theo fort: „Du warst gestern nach der Sache mit Markus ziemlich schnell weg. Ist alles gut bei dir?“ Im Badezimmer erinnerte sich Daniel wieder an den Vorfall. Markus, ein 17-jähriger blondhaariger Typ, beschuldigte ihn, sein Gras aus einer geheimen Schublade genommen zu haben. Es war allen anderen klar, dass Theo das Gras genommen hatte, doch aus irgendeinem Grund wurde Daniel dafür an den Pranger gestellt. Für Daniel war dies der perfekte Moment, diese Party so schnell wie möglich zu verlassen. Was er besonders hasste, waren viele Menschen, die in engen Zimmern zusammen Alkohol tranken und dabei Gras rauchten. Er war nur auf diese Party gekommen, damit Theo nicht allein gehen musste. Seine Aufgabe war damit mit dem Überschreiten der Türschwelle erfüllt, versicherte er sich und rieb Wasser in sein müdes, blasses Gesicht. Theo war noch längst nicht fertig, seine innere Reinheit wiederzuerlangen. „Ich weiß, es lag eigentlich nur an mir, dass Markus so sauer wurde. Du warst am wenigsten daran schuld. Du weißt ja, wie ich nach zu viel Alkohol werde. Es tut mir auf jeden Fall leid, dass dein Abend durch mich so vermiest wurde. Doch wie Shakespeare schon schrieb: ‚So wilde Freude nimmt ein wildes Ende, und stirbt im höchsten Sieg, wie Feuer und Pulver im Kusse sich verzehrt.‘ Hoffentlich hörst nur du diese Nachricht auf deinem Anrufbeantworter.“ Theo schwieg eine Weile und ergänzte: „Übrigens, hast du Lust, dich heute mit mir zu treffen? Wir können zum See fahren und auf der Wiese entspannen. Falls du noch etwas Zeug hast, kannst du es ja mitbringen. Du weißt, was ich meine. Pierre gibt mir seit ein paar Wochen nichts mehr, seit dem Vorfall mit meiner Mutter, und Markus hatte so wenig, dass es schon schwer war, damit einen zu drehen. Ich hatte kein Drehpapier mehr und habe daher aus dem Zimmer seiner Schwester ein Blatt…“
© Tim-Dylan Späth 2024-08-30