Teil 1: Einweihung in den Katholizismus

Martina Huber

von Martina Huber

Story

Das dritte Schulsemester hielt Einzug und damit auch die Erstkommunionsvorbereitung, die das zentrale Element der zweiten Klasse zu sein schien, wichtiger als jedes Unterrichtsfach. Fortan wurde nachmittags eifrig auf das kommende Fest der Erstkommunion vorbereitet, das zweite christliche Sakrament nach der Taufe. An zahlreichen Nachmittagen wurden unter der Anleitung der sogenannten Tischmütter Lieder einstudiert, Plakate für die Kirche gestaltet, das Glaubensbekenntnis auswendig gelernt und Fürbitten bis zum Erbrechen eingeübt. Mathematik, Deutsch, Sachunterricht, alles schien an Bedeutung verloren zu haben, die Mitarbeit in der Erstkommunionsvorbereitung war das neue Maß aller Dinge.

Zugleich lies das Sakrament der Buße also das erste Beichtgespräch mit dem Herrn Pfarrer nicht lang auf sich warten und erfolgte noch vor der Erstkommunion. Seraphina wusste nicht recht, was sie dem Pfarrer sagen solle, so hatte sie doch gar nichts Schlimmes, sündiges getan, oder etwa doch. Sie fragte sich inständig, ob es eine Sünde gewesen sei, dass sie vor zwei Tagen den Lieblingsjoghurt ihres Bruders gegessen hatte und ihm beim Raufen eine rein getreten hatte. Seraphina hoffte, dass sie nicht bereits zu viele Sünden begannen, hatte und betete jeden Abend vorm Schlafen gehen zu Gott, damit er ihr im Leben beistehen würde. Das Schönste am Tag ihrer Buße war, dass sie ihr Lieblingsessen serviert bekam, obwohl es noch nicht Wochenende war. Es wurde aufgekocht als wäre es Sonntag, der Tag des Herrn.

Es war ein schöner Aprilsonntag im Jahr 1999 als es endlich so weit war und das Fest der lang vorbereiteten Erstkommunion vor der Türe stand. Seraphina hatte sich das schönste, auffälligste, weiße, Reifrockkleid von allen Mädchen des Dorfes ausgesucht. Ihr Kleid glich dem einer viel zu klein geratenen und vor allem viel zu jungen Braut. Ihren Kopf zierte ein weißes, seidenes Blumenkränzchen mit Schleier und so mutete ihr Anblick wahrhaftig dem einer Braut an. Das Aussuchen ihres Kleides war für sie das Beste an der Erstkommunion gewesen. Sie hatte viele Stunden mit ihrer Mutter im nächstgrößeren Ort verbracht, um das ideale Kleid für diesen wichtigen Tag auszusuchen.

Auf dem Gelände der kleinen Dorfschule wurden mit der Familie unzählige Fotos gemacht, denn diesen ehrwürdigen Festtag wollte man für immer in Erinnerung behalten. Jedes Familienmitglied trug ausnahmslos seine besten Festtagskleider, auch der Vater, den sie sonst nur in seinem ölverschmierten Arbeitsoverall kannte.

© Martina Huber 2022-08-26

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