Teil 1 – Manfred Möwe kann nicht fliegen

Anja Authried

von Anja Authried

Story

Hallo, ich bin Manfred Möwe und gehe in die 3. Klasse der Zoo-Volksschule in Neckenhausen. Meine Schule ist super und ich fahre gerne dorthin. Warum ich „fahre“ geschrieben habe? Achso, ich sollte euch vielleicht einiges erklären:

Ich bin mit gebrochenen Flügeln zur Welt gekommen und meine Möwen-Beine funktionierten auch nicht so, wie sie sollten. Leider sind meine Flügel bis heute nicht richtig verheilt. Obwohl ich schon sehr oft im Zoo-Krankenhaus war und einige Operationen hatte, werde ich wohl nie richtig fliegen können. Deshalb sitze ich im Rollstuhl und werde jeden Tag von meinem Papa, Martin Möwe, in die Schule gefahren. In der Aula hilft ihm dann immer unser Hausmeister, Hubert Hirsch, mich die Stiegen hinaufzutragen. Es gibt nämlich keinen Aufzug oder Treppenlift in der Zoo-Volksschule.

Das macht mich traurig, da ich gerne selbständiger wäre. Dies ist aber in meiner Schule leider nicht möglich. In der Klasse habe ich auch nicht genug Platz, da wir viele Kinder sind und die Tische deshalb sehr eng aneinandergereiht sind. Es ist also äußerst schwierig, an meinen Platz zu kommen.

Da ich ein sehr guter Schüler bin, werde ich aber in der Zoo-Volksschule bleiben und nicht in eine Sonderschule wechseln. Dort wäre zwar alles leichter für mich, jedoch wäre ich dann ohne meine Freundinnen und Freunde, die ich seit dem Kindergarten kenne.

In der Pause kommt dann die nächste Hürde für mich. Die Toiletten sind nicht behindertengerecht. Ich benötige also ständig Hilfe bei Sachen, die man in meinem Alter bereits allein kann. Da hilft mir dann immer meine Schulassistentin, Marion Murmeltier. Sie ist für Philipp Panther, einen Zweitklässler, und für mich zuständig. Philipp braucht viel Unterstützung im Unterricht und ich mehr in den Pausen. Daher kümmert sie sich um uns beide. Sie ist nett und macht immer viele Scherze mit mir. Ich mag sie.

Ihr könnt euch vielleicht auch vorstellen, dass ich nicht der beste Turner bin. Deshalb stehe ich oft mit meinem Rolli, wie ich meinen Rollstuhl liebevoll nenne, am Rand und sehe den anderen zu. Meistens darf ich Schiedsrichter sein oder die Mannschaft wählen. Meine Frau Lehrerin, Anna Alpaka, bemüht sich immer sehr, dass ich in der Klasse und zum Beispiel im Turnunterricht integriert bin. Und obwohl ich weder bewusst ausgegrenzt noch ausgelacht werde, ist es nicht immer einfach für mich, meine Behinderung zu akzeptieren. Ich bin halt doch anders und nicht „normal“ wie die anderen.

Deswegen bekomme ich in der Schule öfters so ein komisches Gefühl im Bauch.

© Anja Authried 2023-02-04

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