von Christian Wik
Erste Sonnenstrahlen krochen über Dach des Hintergebäudes und brachten den neuen Tag in Pauls Schlafzimmer. Er blinzelt im Halbschlaf seinem neuen Stück Himmel entgegen, dreht sich um und genoss die letzten Minuten unter der warmen Decke. Endlich mal wieder Sonne, kalt würde es dennoch sein. Gedanklich legte er sich den heutigen Tag zurecht, was im Prinzip nicht schwer war. Weiter auspacken, das Regal aufbauen und etwas für den Kühlschrank einkaufen. Sein Magen wachte auch gerade auf. Mit einem gekonnten Schwung stand er auf und lief ins Bad. Ein neues Badezimmer ist auch erstmal wie neue Lederschuhe, passen, aber so richtig rund läuft es noch nicht. Nach der morgendlichen Hygiene zog er die alte Jeanshose an, Shirt, Sneakers und schon öffnete er die Wohnungstür. Nachdem diese zugefallen war, kam ihm der Gedanken die Treppen einfach mal noch bis in die letzte Etage nach oben zu gehen. Der Keller kommt dann später dran, irgendwo muss dort die Waschküche sein. Auf dem oberen Podest angekommen, war die Entdeckung eher ernüchternd. Es stand nicht nur nichts Interessantes herum, es stand gar nichts herum. Nur die Tür zu dem Lager der Druckerei war zu sehen und oben an der Decke eine Luke zum Dachboden. Der ganze Türrahmen zu dem Lager war etwas lädiert, so als wäre diese Wandöffnung einmal verschlossen gewesen und später wieder etwas robust geöffnet worden. „Wer weiss was in einem so alten Haus schon alles passiert ist.“, dachte Paul. Ein Knurren. Der Magen, das Frühstück. Paul ging beschwingt die Treppe herunter und bog gleich um die Ecke auf der Suche nach einem Café in der Nähe. Sein Handy hätte ihm den effizientesten Weg zum nächsten Café gezeigt, aber er war der Ansicht, dass man auf der Suche meist irgendwas Großartiges entdeckt und daher dies der beste Weg wäre, eine neue Umgebung zu erkunden. Einige Strassen weiter wurde er fündig, zwar nicht so schön wie er es sich gewünscht hatte, aber die Auslage sah sehr gut aus. Mit zwei belegten Broten, ein Stück Erdbeerkuchen und einem Kaffee in der Hand lief er wieder nach Hause. Er grinste zufrieden in sich hinein. Es war ein schönes Gefühl, von „seinem“ neuen Bäcker zu seinem neuen Zuhause zu gehen. Als er die Hauseingangstür öffnete, nahm er laute Stimmen wahr oder besser eine anscheinend aufgeheizte Unterhaltung. Als er im Durchgang stand und sich der Treppe näherte, sah er im Hinterhof Juri mit Johanna. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie sich bei dem Gesprächsgrund wohl nicht einig waren. Im Prinzip war es ihm egal, aber aus irgendeinem Grund wollte er die beiden mit seiner guten Stimmung anstecken. Er ging auf sie zu und rief: „Guten Morgen! Schon so wichtige Themen zu dieser Tageszeit zu besprechen?“. Er hob die Hand und winkte, was vermutlich mit der Tüte der Bäckerei in der Hand etwas unbeholfen aussehen musste. „Oje, der Kuchen!“, dachte er mit den Gedanken an den Inhalt der Tüte. Als er bei Ihnen ankam, verstummten sie und bemühten sich erfolglos um möglichst entspannte Gesichter. „Hallo Paul!“, begrüsste ihn Johanna einigermassen freundlich. Juri nickte ihm desinteressiert zu, bis sein Blick plötzlich stumpf wurde und an Paul vorbei in Richtung Vorderhaus ging. Paul schaute sich unwillkürlich um. Georg stand im Durchgang und sah zu den Dreien herüber. Als Paul sicher wieder umdrehte, sah er, dass auch Johanna einen eher leeren Blick auf Georg richtete.
© Christian Wik 2025-01-17