von psundheit
Woche 3: Unbewusstes. Der Alltag kehrt zurück. Obwohl noch längst nichts alltäglich ist, voraussichtlich nie sein wird, muss die Normalität wieder gelebt werden. Während des Erledigens der täglichen sowie universitären Aufgaben drehen sich meine Gedanken immer wieder um sie. Dabei spüre ich einen starken Druck am Hals. Die Kehle ist wie zugeschnürt. Zuerst vermutete ich, ich habe den Schal zu eng geschnürt. Doch dann erschrak ich, als mir bewusstwurde, gar keinen zu tragen. Unbewusst scheint hier etwas an die Oberfläche zu wollen, dem nicht genug Raum gelassen wird. Der innere Monolog scheint nach außen zu wollen. Der Gang zum Friedhof wird zum täglichen Ritual, immerhin soll die neue Wohnung von ihr ja schön aussehen. Mittlerweile ist das Bedürfnis, Tränen aus dem Körper fließen zu lassen, gesunken. Seltener werden Taschentücher gebraucht, immer öfter werden neue schöne Grabkerzen gekauft. Es gibt irrsinnig Halt, zu wissen, dass sie ein neues schönes Zuhause hat und dass man selbst dafür verantwortlich ist, dass die geliebte Person sich dort wohlfühlt.
Woche 4: Gefühlschaos. Intrapersonelle Gefühle dringen nach außen. In chaotischer, abwechselnder Form. Der Morgen gestaltet sich am schwierigsten. Das Aufstehen fällt sehr schwer. Ich bin total müde und erledigt. Es häufen sich Erledigungen normaler Art, doch auch noch zusätzliche private Begebenheiten lassen Tag für Tag herausfordernd sein. Ich muss funktionieren, mich um die Beziehung(en) zu anderen kümmern. Es ist anstrengend, wenn anderen auffällt, dass man sich verändert hat. Dass man nicht wie gewohnt für andere da sein kann. Es fehlt einfach die Energie für andere Angelegenheiten, weil der Verlust so präsent ist, so schmerzt und so viel Kraft einfordert. Nachmittags gerate ich oft in den Flow, ich schaffe es, mich auf Dinge einzulassen und Gedanken trauernden Ursprungs keinen Platz zu geben. Kann mich selbst auf unbewusste Weise gut ablenken, indem ich aktiv bin, laut singe, herumtanze, über mein eigenes Geblödel lache. Am Abend ist die Erschöpfung erneut zurückgekehrt. Der Tag war gleich anstrengend, wie die Wochen bisher. Nur auf eine andere Art und Weise. Zu erkennen, dass man trotz der Hilfe und Unterstützung anderer alleine mit dem Verlust ist, macht müde. Und dieses Gefühl wird wohl noch stärker werden. Tag für Tag und Woche für Woche werden neue alltägliche Probleme und Aufgaben darauf warten, von mir wie im ursprünglich gewohnten Alltag gelöst zu werden. Das Leben geht für alle in gleichem Ausmaß weiter, doch für mich hat die Normalität ein neues Gesicht.
© psundheit 2020-11-10