Teppich klopfen

Christine Sollerer-Schnaiter

von Christine Sollerer-Schnaiter

Story

An Freitagen wurde geputzt. Die Teppiche wurden über die ‘Lab’-Brüstung gehängt und mit dem Teppichklopfer malträtiert, bis auch der letzte Funken Staub herausfiel. Im Winter wurden sie im Schnee ausgerollt und geklopft. Das machte sie besonders frisch und die Schmutzrückstände waren noch lange im Schnee zu sehen. Die Holzböden wurden ausgekehrt und auf den Knien mit Bürste und Schmierseife aufgewaschen – eine sehr anstrengende Arbeit.

So breite ich meinen Fleckerlteppich der Erinnerungen heute im Schnee aus und sehe mich beim Starchent Brot holen. Die Starchent ‚Mätzen‘ Erna und Anni waren unsere Spielgefährtinnen und oft spielten wir in der Küche um den runden Tisch Flohhüpfen, Menschärgerdichnicht, Halma und anderes.

Auch die Backstube neben dem Haus war ein beliebter Spielplatz, wenn sie nachmittags leer stand und fein warm war. Verstecken, Blinde Kuh und alle Arten von Rollenspielen fanden hier statt. Die Brottücher waren danach oft nicht mehr weiß, sondern grau.

Hinter dem Hauseingang saß der alte ‘Starchenter’ und beobachtete Leute, die Brot kaufen kamen. Er hatte einen Schlaganfall erlitten und war schwer eingeschränkt. Aus einem Glas Wasser nahm er ab und zu einen Schluck, füllte seine Wangen, und wenn wir Kinder uns neugierig an ihm vorbei drückten, blies er es in hohem Bogen in die Luft. Es machte ihm Spaß, uns zu erwischen, was selten gelang.

Die alte Frau Kainz war eine pensionierte Lehrerin und wohnte beim Eaßbaum in der Heachgass. Dieser steile Weg verbindet die Weiler Kirchen und Dorf. Es ist Fahrverbot, obwohl das damals noch keine so große Rolle spielte, weil es kaum Autos gab.

Diese Heachgass war auch unser Rodelweg und das hatte zur Folge, dass er für die Fussgänger glatt und rutschig wurde. Die meisten Leute konnten damit umgehen, aber Frau Kainz wollte mit aller Kraft verbieten, dass wir hier rodelten und sie beim Kirchgang durch Ausrutschen gefährdeten. Ein Verbot konnte sie nicht erwirken, aber sie schwang ihren Stecken drohend gegen uns und schimpfte, was das Zeug hielt. Wir vermieden, ihr allein zu begegnen und rodelten wenig verständnisvoll munter weiter.

Gesandet wurde damals kaum und gesalzen sowieso nicht. Jeder war für sich selbst verantwortlich und niemand konnte zur Rechenschaft gezogen werden. Das gab viel Freiheit, erforderte aber auch Selbstverantwortung und Rücksicht.

Auch der alte Kellerwirt taucht aus der Versenkung auf. Er hatte eine Spracheigenheit und sagte alle S wie ein Sch und so wurde sein Name Dominikus zu Dominikusch. Wir Kinder ahmten ihn nach und liefen dann rasch davon.

Ja, wir waren ‚Fratzen‘, das heißt: ‘zwidere’ Kinder. Viel uns selbst überlassen – die Erwachsenen hatten wenig Zeit – prägten alte Menschen unseren Alltag. Leider gingen wir nicht immer respektvoll mit ihnen um, aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Es gehörte wohl zu unser beider Unterhaltung. Den Teppichklopfer – ‘Pragger’ im Dialekt – kriegten wir als Bestrafung manchmal zu spüren.

© Christine Sollerer-Schnaiter 2022-02-04