von Axel Weber
Wenn es eine Stadt gibt in Deutschland, die mit Fernweh zu tun hat, dann ist es Frankfurt am Main. Schon immer hat die Zusammensetzung aus Börse, Banken, Geld, Flughafen, Taunus und Wolkenkratzern diese Faszination ausgeübt. Mainhattan ist nicht perfekt (welche Stadt ist das schon?), und wenn Du sie liebst, dann liebst Du sie wegen ihrer Kontraste, wie eine Frau, die ein Rollenspiel mit Dir betreibt und mit der Dir nie langweilig wird. Ihre Kontraste machen sie aus. Wolkenkratzer stehen neben Vorkriegsbauten, das Rotlichtviertel grenzt an das edle Westend, die Skyline kontrastiert vor dem grünen Taunus. Wo immer Du in der Stadt bist, Du hörst die Flugzeuge ankommen oder abfliegen. Das Dorian Grey am Flughafen war die Keimzelle der Technomusik: die DJs kamen eingeflogen, duschten im Sheraton obendrüber und legten dann unten auf, bevor sie nach Goa oder New York weiterflogen. In keiner anderen Stadt in Deutschland kannst Du so wenig deutsch sein und gleichzeitig so willkommen sein. Liberal ist die Stadt und weltoffen. Vielleicht sind andere Städte schöner (mir ist keine bekannt) oder größer, urbaner ist keine. Seitdem Frankfurt sich dafür entschieden hat, in die Höhe zu bauen, weil es an Fläche fehlt, hat die Stadt an Urbanität zugelegt. Auf mich wirkt die Heimat der grünen Sauce wie eine amerikanische Stadt: viele Pendler kommen aus den Vororten zum Arbeiten in die Türme, verlassen abends in ihren Autos die Stadt in Richtung Vororte. Penner und Bettler, die Verlierer des Kapitalismus, drängen sich an den U-Bahnstationen zu Füßen der Türme des Mammons. Frankfurt ist Realität. Das Bahnhofsviertel ist der Kiez, auf dem Drogen, Prostitution und Gewalt zu Hause sind. Spritzen liegen auf der Straße. Wenn Du von der Konstablerwache zum Bahnhofsviertel gehst, als Mann alleine, sprechen sie Dich an, ob Du Drogen kaufen willst. Frankfurt ist eine harte Stadt. Vom Taunus aus betrachtet, im Kessel des Mains, stehen die Türme der Banken und bieten Dir eine Skyline, wie sie es kein zweites Mal in Europa gibt. Wie oft kam mir der Abspann von “Dallas“ in den Sinn – die Wolkenkratzer als Kulisse des täglichen menschlichen Dramas um Geld und Macht. Frankfurt macht Dir nichts vor – die Stadt ist so, wie sie sich gibt. In den letzten zehn Jahren hat sie sich enorm verändert, verbessert, ist die Stadt edler geworden. Trotzdem ist ihr Ruf nach wie vor schlecht, und das zu unrecht. Heute gilt die Weisheit: In Frankfurt weinst Du zweimal. Einmal, wenn Du kommst, und einmal, wenn Du gehst.
© Axel Weber 2021-01-25