Abends auf dem Balkon. Im Augenwinkel gewahre ich ein schwarzes Häuferl auf den Holzbrettern. Erster Gedanke: was für ein Vogel kann einen solchen Haufen hinterlassen? Zweiter Gedanke: warum bewegt sich das Häufchen?
Bei näherem Augenschein entpuppt sich das vermeintliche Exkrement als flugunfähige Jung-Fledermaus. Lange Ohren, winziger Körper, lange Krallen. Wo kommt die denn her? Und vor allem – was mit ihr machen? Ich stupse sie an, sie hebt das Köpfchen und faucht mich lautlos an. Spitze Zähnchen hat er, der kleine Racker!
Ich wollte eigentlich eine Story über Vögel schreiben. In der Hochtenne wohnt eine ganze Schule von Staren, in der Kletterrose neben der Haustür ist ein Amselnest und im Frühjahr nistete eine Meise praktisch auf dem Balkon. Ein Vogelhaus, Hitchcock hätte seine Freude gehabt. Die Vogelschar ist laut aber friedlich. Aber dann kam Batman.
Am nächsten Morgen hockt „little dark knight“ immer noch da. Also kontaktieren wir eine Expertin von der Koordinationsstelle für Fledermausschutz & –forschung und die mailt uns die passende Handlungsanleitung für verhaltensauffällige Jung-Flattermänner. Falls das Quartier (also die Bat-Höhle) nicht bekannt ist, das Viecherl in eine Schachtel mit Luftlöchern geben, per Löffel Wasser zuführen. Dabei aufpassen, dass es nicht ertrinkt.
In der Dämmerung sei das Jungtier der Fledermausmutter „ganz in der Nähe des Fundortes anzubieten“. Dazu baue man eine Art Abflugrampe aus Tisch, Schüssel und Wärmeflasche (Ersatz-Batwing). Die Mutter holt ihr Kleines ab und muss dazu etwas bergab fliegen. Die Wärme ist wichtig, damit das Jungtier aktiv nach seiner Mama ruft. Andernfalls findet sie ihren Nachwuchs nicht.
Wichtig: die Katze und sonstige Feinde (Joker, Harvey Two-Face, Pinguin) fernhalten! Da Stubentiger GINA, 19 („Ode an die Katze“) im März das Zeitliche gesegnet hat, droht von dieser Seite keine Gefahr.
Also das zarte Wesen auf der Spitze der Abflugrampe platziert. In der Dunkelheit auf die Lauer gelegt. Doch Mama kommt nicht. Auch nicht Batgirl, Superman, Ant-Man, Robin oder ein anderer Superheld. Kein Retter weit und breit. Irgendwann ab ins Bett, so nachtaktiv wie eine Fledermaus bin ich nicht.
Gern würde ich Euch ein Happy-End präsentieren, aber es gibt leider keines. Am Morgen ist Klein-Batman tot, ich beerdige ihn hinter dem Haus und baue den Turm wieder ab. Das kleine Drama geht mir tagelang nicht aus dem Sinn. Die Natur ist grausam, viele Jungtiere erreichen das Erwachsenenalter nicht. Der Lauf des Lebens. Ob die Mutter lang um ihr Junges trauert? Ob sie gleich wieder trächtig wird? Ich werde es nie erfahren.
Ein paar Tage später balkonieren wir an einem lauen Sommerabend bei einem guten Tropfen Rotwein. Nach Einbruch der Dunkelheit schwärmen die Fledermäuse wie üblich zur Nachtjagd aus. Es wird wohl auch die Mutter unseres kleinen Batman dabei sein, vielleicht auch Geschwister. Wir stoßen auf ihn an. R.I.P, little dark knight!
© Klaus P. Achleitner 2020-07-07