The Rose

Gerlinde Bruckner

von Gerlinde Bruckner

Story

Ja, auch bei meiner Hochzeit wurde dieser abgedroschene Love Song von Bette Midler gespielt. Eine TrĂ€ne rann in diesem Moment ĂŒber meine Wange, die Fotografin hielt meine Emotionen fest. Mein BrĂ€utigam und ich waren miteinander schon durch einige Schwierigkeiten gegangen und das Lied gab mir Hoffnung, dass wir uns auch in schweren Zeiten immer an den Samen der Liebe unter der Schneedecke erinnern wĂŒrden, der irgendwann wieder zur blĂŒhenden Rose heranwĂ€chst. Aber erinnern reicht nicht, wenn man sich um eine Pflanze nicht kĂŒmmert, geht sie ein – so wie unsere Ehe, die schließlich geschieden wurde.

Neben meinem Exmann hatte ich frĂŒher das GefĂŒhl, immer mehr in den Schatten gedrĂ€ngt zu werden und dort ein kĂŒmmerliches Dasein zu fĂŒhren, langsam zu vergessen wer ich eigentlich war und die Lebensfreude zu verlieren. Funktionieren – in der Arbeit, fĂŒr den Partner und die Kinder, im Haushalt, im gesellschaftlichen Umfeld. Allen alles recht machen, eigene BedĂŒrfnisse hinten anstellen


Ich kĂŒmmerte mich nicht mehr um mich selbst, sondern erhoffte mir Aufmerksamkeit von meinem Partner oder dass jemand mich aus dem Hamsterrad herausholt. Das passierte natĂŒrlich nicht, denn VerĂ€nderung muss im Inneren geschehen. Eine Zeit lang war ich dann allein und konzentrierte mich darauf, endlich die Dinge zu tun, von denen ich schon lange trĂ€umte und die meiner Seele guttun. Ich kann nun spĂŒren, dass immer eine endlose Liebe in meinem Herzen existiert, egal was um mich herum passiert. Sie ist der Same, der in uns allen wohnt, der wachsen und reifen will.

ZufĂ€llig lerne ich einen Mann kennen, der mich aus der Reserve lockt, ohne zu wissen was er in meiner Seele bewirkt. Er ist mein Spiegel und zeigt mir in seinem Verhalten und seinen Reaktionen sehr viele Dinge ĂŒber mich selbst. Ohne es zu ahnen inspiriert er mich zu vielen Storys, schließlich entsteht ein ganzes Buch. Mein eigenes Buch, von dem ich seit Kindheitstagen trĂ€umte! Ich lerne nun auch, zu meinen BedĂŒrfnissen zu stehen, zu sagen was ich will und offener auf meine Mitmenschen zuzugehen. Ich genieße die Natur, die Sonne, Berge, FlĂŒsse, WasserfĂ€lle, nehme Tiere und Pflanzen anders wahr. Beim Spazieren höre ich die Vögel zwitschern und im GebĂŒsch rascheln, sehe wunderschöne BlĂŒten und alte BĂ€ume
 was die wohl schon alles erlebt haben? Ich komme hinter meiner schĂŒtzenden Mauer hervor und öffne mein Herz. Manchmal sind mir die Emotionen fast zuviel um sie auszuhalten, dann ziehe ich mich wieder etwas zurĂŒck. Aber die Höhen und Tiefen sind viel wertvoller als das ewige abgestumpfte gar nichts fĂŒhlen. Vielleicht werde ich verletzt, aber ich habe schon so viel durchgemacht, da lasse ich mich nicht mehr unterkriegen.

Obwohl ich frĂŒher mit Pflanzen nicht so viel anfangen konnte, fĂŒhle ich mich plötzlich wie eine wunderschöne Blume, eine Rose, die zum ersten Mal in ihrem Leben so richtig aufblĂŒht, die Sonnenstrahlen und die aufmerksame, liebevolle Pflege ihres GĂ€rtners genießt.

© Gerlinde Bruckner 2020-01-21

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