von feuervogl
Diese Geschichte ist einfach zu köstlich, als dass ich sie euch vorenthalten könnte. Hab mir auf meine alten Tag den Camino Francés vorgenommen und in Saint-Jean-Pied-de-Port begonnen. Gleich am Anfang müssen die Pyrenäen auf dem Weg nach Roncevalles überquert werden. Trotz 2. Mai war das Wetter mit Sturm und Schneeregen unbehaglich und saukalt. Leise Flüche über diese Bedingungen, als ich den Puerto de Ibañeta Pass überquerte kamen bereits über meine blauen Lippen, als plötzlich eine Mitpilgerin auftauchte und fragte, ob sie mit mir ein Stück des Weges gehen dürfe. An sich habe ich mein eigenes, eher sehr langsames Tempo, aber unter diesen widrigen Umständen war mir Gesellschaft schon sehr willkommen. Wir gingen also gemeinsam weiter und wie es so ist, fragten wir uns nach Herkunft und so. Sie kam aus New Jersey und ich antwortete wahrheitsgemäß aus Salzburg. Das hätte ich besser nicht getan. Denn kaum hatte sie das gehört, änderte sich ihr ganzes Gehabe, die Stimme wurde merkbar schriller und eine generelle Aufregung bemächtigte sich ihrer. Wir sprachen miteinander zwar Englisch, ich wird das aber hier gleich übersetzen: „Was, du kommst aus Salzburg, der Stadt von „The Sound of Music“, ist ja ungeheuerlich. Ich habe den Film so oft gesehen und ich kann mich gar nicht an ihm sattsehen.“ Da machte ich den nächsten Fehler, und eröffnete ihr, dass ich ebenso, wie meine damalige Freundin, in diesen Film mitgespielt habe. Sie war aber als Double für eine der Kinder vorgesehen, während ich nur als Komparse mitmachte. Das war ein wenig geflunkert, weil ich nur als Aushilfskomparse vorgesehen war, und genau wusste, dass ich gar nicht dran kam. Aber ihr genügte es mich sofort zu fragen: „Das ist ja megatoll, darf ich dich berühren, einen der in The Sound of Music mitgespielt hat! Ich fass es nicht, es wäre mir eine große Ehre, wenn ich dich anfassen dürfte!“ Mir blieb die Spucke weg, und ich fürchtete gar nicht mehr aus dem Schlamassel herauszukommen, in das ich mich so unbedacht hinein geritten hatte. „Naja, ich selber habe den Film gar nicht gesehen“ versuchte ich zu beschwichtigen „daher weiß ich gar nicht, ob ich auch drin vorkomme“ und dachte, dass ich damit ihre „Heldenverehrung“ versiegen lassen kann. Doch weit gefehlt, sie verdonnerte mich zu einem Selfie und umarmte mich feierlich. Das war natürlich keineswegs unangenehm, nur in meiner Wertigkeitsskala, kommt das Mitspielen als Komparse in einem Film ziemlich an letzter Stelle. Während für die junge Amerikanerin das offensichtlich der Höhepunkt der ersten Etappe war. Wir gingen noch eine Weile nebenher, bis ihr mein Tempo doch zu langsam war und sie in ihrem weiterging. Das war mir dann auch Recht, aber ich schüttelte innerlich den Kopf und dachte: na sowas, diese Amis! Was denen wichtig ist, ist schon beeindruckend.
Mir hat sie die wetterbedingt so schwierige Etappe verkürzt und ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, wofür ich ihr noch heute dankbar bin.
© feuervogl 2020-03-16