Theos Gedanken

Hanna Oppelmayer

von Hanna Oppelmayer

Story

Schlussendlich habe ich verstanden, wie die Welt einmal gewesen sein muss. Sie war ein Ort voll Unvorhersehbarkeit, Naturgewalten, Artenvielfalt und unglaublicher Schönheit. Das Leben in der Gumbad dagegen ist vorprogrammiert, eintönig und künstlich.

Leider lässt sich daran nichts mehr ändern. Es gibt kein Zurück in eine Welt, wie sie einmal gewesen ist.

Die meisten Bewohner der Gumbad sind ohnehin zu jung um ein „Früher“ erlebt zu haben. Sie kennen keinen Vergleich zu ihrem jetzigen Leben. Deswegen sind sie glücklich. Sie kennen es nicht anders.

Manchmal – in meinen einsamsten Stunden – beneide ich sie dafür. Ich frage mich dann, ob ich glücklicher wäre, wenn ich die Geschichten meines Großvaters nicht kennen würde. Doch einen Moment danach bereue ich diese Gedanken schon wieder. Um nichts in der Welt würde ich diese Erinnerungen hergeben. Auch wenn sie der Grund für meine Einsamkeit sind.

Ich versuche sogar, mich so gut es geht anzupassen. Ich halte mich an die Gewohnheiten der anderen und lebe dasselbe eintönige Leben wie sie. Ich lasse mir das in der Fabrik hergestellte Essen von Robotern liefern und ich beschwere mich nicht über die immer gleiche Temperatur. Doch der Unterschied ist, dass es mich nicht glücklich macht.

Vor den anderen tue ich so, als würde es kein Leben außerhalb der Gumbad geben – als hätte es nie eines gegeben. Doch durch die Erinnerungen meines Großvaters weiß ich, wie es einmal gewesen ist – was wir zerstört und verloren haben.

Oft denke ich an die Tage zurück, an denen ich mit meinem Großvater beisammensaß und seinen Geschichten lauschte. Es sind meine schönsten Erinnerungen.

Ich habe mir vorgenommen diese Erinnerungen einmal an meine Kinder und Enkelkinder weiterzugeben. Bis dahin setze ich mich jedes Jahr an meinem Geburtstag in den roten Armsessel meines Großvaters, zünde mir eine Pfeife an und schwelge in Erinnerungen. Denn egal wieviel Zeit vergeht und wieviel Veränderungen passieren – schlussendlich sind es immer die Erinnerungen, die bleiben.

© Hanna Oppelmayer 2022-08-24