von Anatolie
âPfui, so a scheiĂ Gartenzwerg!â Angewidert schmeiĂt sie mein PrĂ€sent von sich, und gleich muss ich in Deckung gehen, bevor ihr zornerfĂŒllter Blick mich, Sodom gleich, in Asche legt.
Alle Jahre wieder wĂŒrde es mich reizen, ihr zum Geburtstag so eine lustige Karte mit einem doof grinsenden Gartenzwerg zu ĂŒberreichen. Aus reiner Provokation. Tina hasst nichts mehr auf der Welt als Gartenzwerge! âAber die sind doch eh soo herzig… ok, ok! Bin ja schon ruhig.â Meine Freundin bzw. Arbeitskollegin und ich zogen einander immer wieder gerne mal auf, sie ist eine, die unglaublich viel SpaĂ versteht. Aber man darf ihr bloĂ nicht mit Gartenzwergen kommen!
Es ist nicht nur eine Abneigung, sie hat eine regelrechte Gartenzwerg-Phobie. Einmal, nach einer OP, war sie unter dem Rausch von Schmerzmitteln gestanden, und sie hĂ€tte schwören können, bei klarem Bewusstsein thronte da am FuĂende ihres Bettes ein dĂ€mlich glotzender Gartenzwerg, der ĂŒber Stunden nicht von ihrer Seite wich.
FĂŒr AuĂenstehende wirkt es bisweilen komisch, wenn jemand Angst vor Spinnen hat oder es tatsĂ€chlich hysterische Weiber geben soll, die beim Anblick einer Hausmaus kreischend auf den KĂŒchentisch flĂŒchten.
Beim BlĂ€ttern meiner Sonntagszeitung sprang mir dieses eine Bild ins Aug. Ein ganzes Arrangement an Gartenzwergen! Ha! Das wĂ€r genau das Richtige fĂŒr so ein nettes kleines Attentat am Montagmorgen! Am nĂ€chsten Tag war es schon so weit. Grinsend hielt ich das ausgeschnittene Foto und eine Rolle Tixo-Kleber in der Hand. Mit Filzstift hatte ich dem Gartenzwerg-Quintett noch eine fette Ăberschrift verpasst: âWIR wĂŒnschen dir einen angenehmen und fröhlichen Montag MORGEN!!â Tina war ein Morgenmuffel, brauchte ewig lang um in der FrĂŒh wach zu werden und kam gewöhnlich auch recht spĂ€t zum Dienst. Diesmal war ich eine der ersten im BĂŒro. Nach wenigen Handgriffen blickte ich stolz auf meine bunte Zwergenschar, die mir, und bald auch Tina, auf ihrem Bildschirm entgegenlachen und ihr ein frohes Schaffen wĂŒnschen sollte.
Schlaftrunken wackelte Tina ins BĂŒro, schaltete ihren PC an und kramte in der Geldbörse. âI brauch jetzt erscht amol an Kaffeeâ Im Hintergrund ertönte leises Kichern. Ihre Nachbarinnen wussten lĂ€ngst Bescheid, nur Tina fiel nichts auf. Fragend inspizierte sie ihr Modem und verstand so ĂŒberhaupt nicht, was es mit dem ganzen Getuschel so auf sich hatte. âSchau mal auf den Bildschirm!â Astrid, die BĂŒroklatsche, kam ihr bei diesem Ăberraschungsmoment zuvor. âHilfe! Was is denn das fĂŒr a Sch*s?!â Wie gut, dass sie noch nicht ihren Kaffee holen war, wahrscheinlich hĂ€tte sie sich diesen vor Schreck ĂŒber die Tastatur geschĂŒttet.
Ich kam nochmal mit dem sprichwörtlichen „blauen Auge“ davon. Noch einmal dĂŒrfte ich ihr keinen Gartenzwerg-Schreck verpassen. Das hat sie mir ausdrĂŒcklich verboten.
So schenke ich ihr jedes Jahr zum Geburtstag eine lustige Karte OHNE Gartenzwerg. Aber immer, wenn ich irgendwo Gartenzwerge sehe, muss ich an Tina denken.
© Anatolie 2021-06-04