Tinder date

Petronella

von Petronella

Story

Pünktlich um 17 Uhr sitze ich im Anzengruber – dem Lokal in dem wir uns zum ersten Mal persönlich treffen. Nach 5 Tagen Dauerpipsen vom Whats app chat und nächtelangen Telefonaten.

Es pipst. Andy schreibt, er steht im Stau und wird sich um 5 Minuten verspäten. Ich bestelle mir einen Spritzer und schau mir seine Profilfotos durch – geschätzt zum 50. Mal in den letzten 5 Tagen.

Nachrichten und Telefonate, als würden wir uns schon ewig kennen. Er hat Humor, die gleichen Werte im Leben wie ich, wir scheinen uns blind zu verstehen und ich brauche ihn nicht zu fragen OB er das erlebt hat, sondern WIE – denn wir haben extrem viele Gemeinsamkeiten im Lebenslauf.

Ich schaue auf die Uhr. 17:05 Uhr. Jetzt kommt mein Traummann jederzeit. Und schon geht die Tür auf und er erscheint. Groß gewachsen, Mr. Clooney Haarschnitt, Hemd, Jeans, lässiger Gang. Passt doch. Wir begrüßen uns mit einem Küsschen auf die Wange. Wir kennen bereits die halbe Lebensgeschichte – so nah also und doch so fern. Denn nun sitzen wir uns direkt gegenüber und die Barriere Handy gibt es nicht mehr.

Ich beobachte ihn. Er scheint genauso nervös zu sein wie ich. Gesprächsthemen gibt es genug, also entstehen keine peinlichen Pausen.

Der Kellner bringt einen zweiten Spritzer und wir bestellen Gulasch – eine Spezialität des Hauses. Wir prosten an und Andy nimmt einen großen Schluck, stellt sein Glas ab und beginnt zu erzählen. Ich blicke ihm tief in die Augen und plötzlich verdreht er diese, sodass ich nur mehr einen weißen Augapfel sehe – für Sekunden. Mein Gehirn schlägt Alarm. Mein Traummann verdreht die Augen nicht. Nein, bitte nicht.

Während dem Reden hat er außerdem die Angewohnheit mit seiner Zunge zu schnalzen. Meine Gedanken überschlagen sich. Wie kann es sein, dass Mr. Perfekt sowas macht? Ich versuche die weiteren Augenverdreher und Zungenschnalzer zu ignorieren.

Es ist dennoch ein gelungenes date. Wir sind nach wie vor auf einer Wellenlänge, lachen viel, trinken gemütlich unsere Spritzer und es ist klar, das Geschriebene und am Telefon Gesagte ist keine Täuschung.

Um 21.30 Uhr bringt er mich nach Hause. Es folgt der erste Kuss. Kurz und ohne wirkliche Leidenschaft. Ich bin verwirrt. Sagte er doch am Telefon etwas von brennender Leidenschaft. Er verspricht anzurufen, sobald er zu Hause ist. 20 Minuten später ruft er an. Da ist er – die vertraute Stimme. Mein Andy von Tinder.

Ich fühle mich, als hätte ich Tinder-Andy mit date-Andy „betrogen“. Es ist ein vertrautes Gespräch – wie auch die Tage zuvor. Ich beende es jedoch ungewohnt früh, da ich überlege, warum ich diese Situation nicht erfassen kann.

Es ist ganz offensichtlich: mein Geist war meinem Körper voraus. Was für meinen Geist schon längst klar ist, muss ich körperlich erst „verkraften“.

Es dauert 2 Tage bis zum nächsten Treffen. Bei einem Spaziergang setzen wir uns auf eine Parkbank und schauen uns lange in die Augen. Und plötzlich ist er für mich auch physisch angekommen. Es folgt ein Kuss aus Leidenschaft.

© Petronella 2019-11-18

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