Tindergarten am Glühweinstand (1/n)

Lukas hat genau ein Jahr und 10 Monate lang eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt. Ich weiß nicht, was ich mir von dieser Erzählung erhoffe. Ich bin nicht gut darin, Dinge zu erfinden. Deswegen erzähle ich einfach, was mir widerfahren ist. Ich genehmige mir dabei ein Glas Rotwein und lade dich auch dazu ein, es dir mit einem Getränk deiner Wahl gemütlich zu machen. Ich jedenfalls brauche etwas Ermutigung in alkoholischer Form.

Ich bin bald 33 Jahre alt und wieder Single. Es ist interessant, dass die meisten meiner Beziehungen den Herbst nicht überstehen.

Aber genug zu mir, eigentlich will ich über Lukas erzählen. In dieser ersten Geschichte soll es darum gehen, wie ich Lukas kennengelernt habe. Er war nicht meine erste Wahl. Wir haben uns öfter auf Tinder gematcht, aber nie wollte ich ihn treffen. Immer fand ich eine Ausrede. Tatsächlich wollte sogar ein früherer Arbeitskollege, der nichts von unserer Tinder-Vorgeschichte wusste, uns verkuppeln.

Ich habe dankend abgelehnt. Ich weiß, dass es nicht gerade wie der Beginn einer leidenschaftlichen Lovestory klingt. Wie das Schicksal so wollte, kam ein erstes IRL (in-real-life, also im echten Leben) Treffen zufällig zustande. An einem klirrend-kalten Wintertag kurz nach Weihnachten war ich mit Freundinnen bei einem Glühweinstand eines örtlichen Fußballvereins verabredet. So groß ist die Kleinstadt nicht, in der wir beide leben, und so kam es, dass er an demselben Abend kurz nach Weihnachten ebenfalls dort am Glühweinstand mit Freunden verabredet war.

Normalerweise wäre dies nicht weiter spannend für mich gewesen. Es waren aber keine „normalen“ Zeiten, denn ich war aufgrund einer Trennung am 23.12.2019 ziemlich durch den Wind. Leider ging es nicht anders. Das Fass war übergelaufen, aber dies ist eine andere Geschichte.

Zurück zum Glühweinstand: Es war so kalt, dass ich mich durch einige Glühwein-Becher von innen wärmen musste. Es war ein komisches Gefühl, da steht man bei den Überresten des Weihnachtsmarkts, beim letzten Glühweinstand kurz nach Weihnachten. Es ist offiziell das Niemandsland zwischen Weihnachten und Silvester. Alle haben Familien, stabile Beziehungen, Kinder und so weiter. Ich stand beim letzten Glühweinstand der bereits beendeten Weihnachtssaison und genehmigte mir ein paar Becher Glühwein. Da erkannte ich plötzlich Lukas am Stehtisch nebenan. Ich habe genau hingesehen: Ist er das wirklich? Der Typ, den ich von Tinder kenne? Übermütig durch den Alkohol und angestachelt durch eine „Jetzt ist eh alles Wurscht“-Mentalität rufe ich zu Lukas hinüber: „Hey! Du da! Ich kenn‘ dich doch von Tinder!“ Dabei habe ich, wenig elegant, mit dem Finger auf ihn gezeigt.

Das war der Beginn unserer Liebesgeschichte.