Titicacasee

Erich Stöger

von Erich Stöger

Story
Bolivien 2011

Wir fliegen über den Titicacasee, er scheint zum Greifen nahe, so wie schon zuvor die Gipfel der Anden. Eigentlich kein Wunder, er liegt auf 3812 m Höhe. Seine Fläche erstreckt sich über 8560 km2 und beherbergt sechsunddreißig Inseln. Wir landen in El Alto (Bolivien) und auf diesem hoch gelegenen Flugplatz erwartete uns ein Gepäckscheck durch das Militär, welchen ich vorher und nachher nicht erlebt habe. Und es ist kalt, es ist saukalt! Die einzige Wärme ist auf den alten, im Bus aufliegenden Decken zu erwarten. Die Heizung dürfte entweder nicht funktionieren oder ist nicht vorhanden. Unsere Gespräche verstummen. Wir fahren danach, gottseidank wieder in einem Kleinbus, nach Huatajata. In dieser Höhenlage herrscht Kargheit, aber die Menschen sind freundlich. Mich wundert, dass unsere kleine Gruppe heute die einzig anwesenden Touristen ist. Der Reiseleiter meint, dass ein Gewerkschaftsstreik alle öffentlichen Verkehrsmittel lahmgelegt hat und auch einige Reiseveranstalter mit streiken. Die Natur und die erhaltene natürliche Lebensweise der Bewohner sind nicht nur zu sehen, man kann sie spüren. Dem kargen Boden wird unter größter Anstrengung alles abgerungen, was man zum Leben braucht. Die Züchtung von Lamas und Alpakas, aber vor allem der Fischfang ermöglichen ein Überleben. Irgendwann nähern wir uns dem See. Eigentlich glaubt man, vor einem Meer zu stehen.

Es gibt Sonnenschein, wenige Wolken, aber es ist kalt. Nach altem Glauben ist dieser See der Ursprungsort der Inkakultur. Manco Capac und Mama Ocllo sollen mit anderen Geschwistern auf der Isla del Sol (Sonneninsel) erschienen sein und gelten als erste Inka. Sagen gibt es allerdings mehrere. Eine andere besagt, dass auf dem Grund des Sees eine zweitausend Kilogramm schwere Goldkette liegen soll. Sie gehörte dem Inka Huáscar und seine Untertanen sollen sie vom Sonnentempel in Cusco vor den spanischen Eroberern in Sicherheit gebracht, und eben im Titicacasee versenkt haben. Auch Jacques Cousteau konnte sie in seinem U-Boot nicht finden. Unser Seeabenteuer beginnt und wir besuchen einige Inseln. Auf der Insel Pariti besuchen wir ein Archäologiemuseum und dann tauchen wir in das unübersichtliche Wirrwarr des Schilfes (Binsen) ein und treffen auf die ersten Binsenboote, was mich sehr bewegt. Ich denke unwillkürlich an Thor Heyerdahl. Und schon befinden wir uns auf der Insel Kalahuta. Dort wird gerade das Schilf (Binsen) eingebracht. Nach einer kurzen Weiterfahrt betreten wir die schwimmende Isla de los Uros. Ich traue meinen Füßen nicht, aber siehe da, es gelingt. Bald fühle ich mich beim Gehen sicher. Auch die Fundamente der schwimmenden Inseln bestehen aus Binsen und sind dementsprechend dick. Die jungen Triebe auf der Oberfläche landen in der Küche. Das indigene Volk der Uros ist Jahrtausende alt und baut ihre Inseln mit ihren Häusern darauf in Handarbeit seit Ewigkeiten. Eine kleine Schule, Souvenirstände und ein WC aus Schilf sind vorhanden. Ich kann das alles nicht glauben. Im grellen Licht der späten Nachmittagssonne erheben sich in weiter Ferne die höchsten Berge Boliviens mit dem Illimani. Fantastisch!

Bei der Heimfahrt nach Huatajata wird es dunkel und die Kälte schlägt wieder zu. Wir schützen uns vor der Gischt, das Wasser ist eiskalt. Ein schöner Tisch erwartet uns im Restaurant, wir genießen die Köstlichkeiten der Region und aus den Tiefen des Sees. Ein einprägsamer, aber saukalter Tag hat sein Ende gefunden.

© Erich Stöger 2025-07-02

Genres
Reise
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Emotional, Informativ
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