Toilette

Florian Fleischhacker

von Florian Fleischhacker

Story

Noch nie hatte ich jemanden so glücklich aus einer Toilette gehen sehen. Er strahlte übers ganze Gesicht. Als ich ihn darauf ansprach, sagte er voller Begeisterung: „Da waren in der letzten Stunde mindestens zwanzig Leute drinnen. Und ich jetzt auch!“ Er war sichtlich angetrunken.

Ich musste die Frage nicht stellen, er konnte sie aus meinem verwirrten Gesichtsausdruck ablesen. „Entweder zu Hause scheißen oder gar nicht.“, sagte er. „Das war früher mein Motto. Nicht willentlich natürlich, aber es ging nicht anders. Allein die Vorstellung, mich auf die vielleicht noch warme Klobrille zu setzen, wo gerade jemand anderes gesessen hat, ekelte mich schon als Kind. Ich hatte das Bild im Kopf, als würde ich mit meinem nackten Hintern direkt auf einem anderen nackten Hintern sitzen.“ Ich nickte etwas zu übertrieben verständnisvoll, aber das fiel ihm nicht auf.

„Ich rede hier nicht nur von öffentlichen Toiletten. Auch nicht bei Freunden oder meinen Großeltern. Geschissen wurde nur zu Hause, Punkt.“ Er grinste mich immer noch an.

„Manchmal machten wir Urlaube, wie ich kleiner war, oft eine Woche lang. In der war ich dann nicht kacken. Keine Ahnung, wie das ging. Habe ich natürlich keinem erzählt, wozu auch, es war selbstverständlich für mich.“

„Bei öffentlichen Toiletten kam dann natürlich noch der Hygiene Aspekt hinzu. Ich hatte das Gefühl, die Bakterien würden durch mein Arschloch in mich hineinkriechen.“ Ich spürte, wie sich seine Erregung beim Sprechen steigerte.

„Aber vor einer Woche ging es nicht anders. Eigentlich hatte ich die perfekte Routine. Ich ging entweder morgens aufs Klo, vor dem losgehen oder dann abends, wenn ich zu Hause war. Längere Ausflüge und Urlaube vermied ich. Ich war bereit, mein Leben so zu leben, es war normal für mich.“

„Aber meine Routine hatte versagt. Es war ein ganz normaler Tag. Ich war mitten in der Stadt. Der Druck überraschte mich. Ich wusste, wenn ich jetzt nicht aufs Klo gehe, werde ich mich anscheißen. Nach Hause zu fahren war keine Option. Zuerst bekam ich Panik, aber dann wurde alles klar. Ich ging also in irgendein Restaurant, habe mindestens eine halbe Rolle Klopapier auf die Klobrille gelegt und da rein gekackt.“ Zum ersten Mal seit Beginn seiner energischen Erzählung machte er eine kurze Pause, hörte auf zu gestikulieren und sah mich einfach nur an.

„Seitdem bin ich frei.“

© Florian Fleischhacker 2022-08-30