Torinoooo – Die alte Tante

Sigrigel

von Sigrigel

Story

Als ich zu Ostern vor 5 Jahren einen aufgeregten Anruf meines Freundes P. erhielt, und gerade mit einer Freundin in der Steiermark auf Kurzurlaub war, konnte ich noch nicht ahnen, dass wir nur 3 Tage später schon in meinem kleinen Auto in Richtung Turin unterwegs sein würden. Seine alte Tante Berta, 92 Jahre alt, und vor 40 Jahren nach Turin ausgewandert und verheiratet gewesen, lag im Spital, nicht mehr ansprechbar, ihr Lieblingsneffe (mein Freund) wurde von der Heimhelferin informiert und los gings…wie gut, dass ich in meiner Jugend Italienisch studiert hatte!

Als wir am Ostermontag um Mitternacht, nach 12 h anstrengender Fahrt, ankamen, erwartete uns schon die italienische Heimhelferin mit dem Schlüssel zur Wohnung. Die Aussicht mit Balkon auf den Mont Blanc ließ uns erst einmal aufatmen und wohlfühlen. Der Besuch im Spital gestaltete sich sprachenreich in Italienisch und Englisch, da mein Freund kein Italienisch spricht und die Neurologin wenig Englisch. Meine Übersetzungskünste holperten allerdings bei den medizinischen Begriffen, die für mich komplett neu waren, was wusste ich, was “grave ictus ” bedeutete?Tante Berta hatte einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung erlitten und war nicht mehr bei Bewusstsein. P. verabschiedete sich von ihr im Spital, berührte noch einmal ihre faltrige Hand, denn es war klar, dass es absehbar war.

Nach einer Woche in Wien angekommen, erhielten wir einen nächsten Anruf, diesmal des Spitals in Turin, dass sie verstorben war – einige Tage später traten wir die nächste Fahrt nach Turin an. Diesmal ging es um die Organisation des Begräbnisses und um Stornierungen ihrer Abos und Rechnungen sowie die Räumung ihres geräumigen Appartemens im italienischen Stil. Dabei gab es lustige Begebenheiten: als ich überlegte, wohin mit ihren Sachen, kam die Idee, zum Bücherbazar zu gehen, der – wie in Paris – unter Arkadenstraße mit Cafes und Lokalen eingerichtet war. Ich redete mit den Buchhändlern und 2 Italiener waren bereit, mit mir zu kommen, um Bücher und Antiquitäten anzusehen und zu kaufen. Als wir preislich übereinkamen, trugen sie gerade dicke Bücher und Antiquitäten weg, als andere auf uns aufmerksam wurden: ein Afrikaner, der mich fragte, ob es eine übrige Matratze gäbe? Er kam mit uns und nahm die Matratze mit, die er gekonnt auf seinem Fahrrad transportierte. Danach hielt eine alte Frau Ausschau und sprach mich an, ob es weitere Sachen zum Abholen gäbe? Sie wohnte in der Nähe und war armutsgefährdet. Sie rief ihren Enkel und freute sich über einen funktionsfähigen Fernseher mit Rollwagen, eine Kommode und Utensilien aus der Küche, Töpfe und Lebensmittel, die wir nicht mit nach Wien nahmen. Kleidungsstücke und ihre Schuhe brachten wir im strömenden Regen in ein Kloster, wo uns Nonnen bereits erwarteten und alles entgegennahmen. Die nächste Fuhre lieferten wir zum Flohmarkt. So fand es einen karitativen Weg und Tante Berta wäre sicher damit zufrieden gewesen!

© Sigrigel 2021-06-16

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