von Eva Filice
Ich stehe nachdenklich vor dem berühmten Wahrzeichen Lissabons. Für wie viele Seefahrer haben sich im 16. Jh. die Erwartungen bei ihrem Aufbruch in unbekannte Welten erfüllt? Wie vielen Seefahrern war es auch möglich den ersehnten Leuchtturm nach abenteuerlichen Eroberungen wiederzusehen?
Der Torre de Belém verrät eine wechselhafte Geschichte. Einst als Verteidigungsturm inmitten des Mündungstrichters des Tejo 250 Meter vom Ufer entfernt errichtet, ist er heute ein beliebtes Ausflugsziel. Dom Manuel I. ordnete 1515 den Bau des Belém-Turms an, um nicht nur den Hafen von Lissabon, sondern auch das damals im Bau befindliche Mosteiro dos Jerónimos vor feindlichen Truppen und Piraten zu schützen. Der ursprüngliche Leuchtturm diente in der Glanzzeit des Seeimperiums und der Handelsmacht Portugals als Erkennungszeichen für die aus der Ferne zurückkommenden Seefahrer. Der Turm fasziniert durch seine dekorativen Ausschmückungen mit manuelinischem Charakter sowie durch die Ecktürmchen und Balkone. Im Inneren hingegen wurden Waffen gelagert, und bis ins 19. Jh. darbten Gefangene in düsteren Gewölben. Zu dieser Zeit wurde das Ufer aufgeschüttet, sodass der Torre de Belem heute direkt am Ufer steht. Seit 1983 gehört er zum Weltkulturerbe der UNESCO.
In der Nähe des Torre de Belém befindet sich das auffallende Denkmal der Entdeckungen (auf Portugiesisch Padrão dos Descobrimentos). Es wurde am Ufer des Tejo anlässlich des 500. Todestages von Heinrich dem Seefahrer (1394-1460), dem berühmten Auftraggeber vieler Entdeckungsreisen, errichtet. Infante Dom Henrique de Avis, begründete mit seinen Aufträgen zu den Entdeckungsfahrten entlang der afrikanischen Küste die Kolonialmacht Portugal. Er selbst soll nie an den Entdeckungsfahrten teilgenommen haben.
Das Denkmal – einen Schiffsbug darstellend – ruft das Zeitalter der Entdeckungen in Erinnerung. 33 bedeutende Persönlichkeiten, die mit der Seefahrt in Verbindung gebracht werden, sind auf dem Denkmal abgebildet, an der Spitze Heinrich der Seefahrer. Auf dem Boden vor dem Denkmal befindet sich eine Windrose aus Mosaiksteinen mit einem Durchmesser von 50 Metern. Eine Weltkarte im Zentrum des Mosaiks zeigt die Routen der portugiesischen Entdecker im 15. und 16. Jahrhundert. Das Denkmal wurde 1960 zur Zeit des autoritären Diktators Antonio Salazar errichtet „Zu Ehren von Prinz Heinrich und den Portugiesen, die die Seewege entdeckten“. Es sorgt immer wieder für Diskussionen, da es auch an die unrühmliche portugiesische Kolonialgeschichte erinnert, an der Salazar festhielt.
Von der Aussichtsterrasse schweift mein Blick vom Torre de Belém bis zum Mosteiro dos Jerónimos und zur Brücke Ponte 25 de April. Am 25. April 1974 gelang der portugiesischen Bevölkerung sich von den Unterdrückungen des Salazar-Regimes zu befreien. Um Mitternacht ertönte ein Lied im Radio, das der vereinbarte Aufruf zum gut vorbereiteten Umsturz war. Die Frauen steckten Nelken in die Gewehrläufe der Soldaten. Die unblutige „Nelkenrevolution“ ermöglichte vor 49 Jahren dem abgeschotteten Portugal Demokratiebestrebungen und eine Öffnung zu Europa.
© Eva Filice 2023-08-09