von Roland Kiefer
Du musst wissen, wenn ich schlafe, dann kann man das am ehesten mit tot umschreiben. Aber jetzt nicht ich tot sondern mein Ältester.
Ein markerschütternder Schrei der Mutter mitten in der Nacht holt mich im Bruchteil einer Sekunde von den Toten zurück ins Leben. Sebastian ist nicht wie vereinbart nach Hause gekommen. Sebastian war damals 13 und hat die 4. Klasse Gymnasium abgeschlossen. Und dann natürlich Superfestl. Mit allem, was so dazu gehört. Frage nicht. Und das hab ich auch nicht, weil großes Vertrauen. Ausgemacht die Heimkunft um 01:00 Uhr mit dem Taxi. Und weil da auch volles Vertrauen der Schrei der Mutter doppelt groß, weil Vertrauensbruch.
Na, ich natürlich sofort ins Auto – und wieder zurück ins Haus, weil der Vater in der Unterhose nicht so cool am Festl. Also Jean und Shirt, und Schuhe auch, weil ohne auch nicht so toll. Und dann, Niki schau owe, zur Party. Rakete nix dagegen. Da wusste ich gar nicht, dass man so Auto fahren kann. Die Location liegt direkt am Kanal. Unter normalen Umständen sehr schön. Die Party aber schon aus und niemand mehr da und dann natürlich erster Gedanke – Drogen, Alkohol und schwimmen. Aber nicht freiwillig sondern im Rausch rein in den Kanal. Und dann kannst du schwimmen können wie der Jonny Weißmüller. Da geht dann nix mehr.
Na und dann kannst du dir vorstellen. Wie erklär ich es der Mutter. Weil den findest du nicht mehr. Am nächsten Tag vielleicht ein Schleusenwärter. Ich sag nur Tatort. Nach dem Boxenstopp weiter zum Freund, welcher auch im Taxi sitzen sollte. Und das tat er auch. Mein Sohn auch im Taxi, zumindest bis hierher. Hat mir die Freundesmutter bestätigt, nachdem ich sie, seinen Vater, die Nachbarschaft auch, mitten in der Nacht aus Bett und Haus geklingelt habe. Weil der Freund schon tief und fest geschlafen keine Stellungnahme mehr von ihm. Jetzt bist du natürlich froh, dass nicht ertrunken und Wasserleiche. Aber Frage: Woran ist er dann und wo und wie?
Zuerst nach Hause oder auf die Polizei oder in alle Krankenhäuser, die dir dann so einfallen? Fragen, da weißt du gar nicht mehr, wo dir der Kopf steht. Nach Hause. Die Mutter natürlich volle fertig, weil wo ist der Bub. Und dann ist das dann mit dem Weiterschlafen nicht so. Da hilft dir keine warme Milch und auch kein Schnaps. Planloses Rumlaufen im Haus hilft auch nur bedingt. Aber jetzt Riesenhilfe. Da schaust du sicherheitshalber ob zumindest der Kleinere noch da. Weil zwei Kinder auf einen Schlag verlieren willst du ja auch nicht. Der schläft. Der kriegt soviel mit wie damals, als wir seinen Bruder auf der Tankstelle vergessen haben – LeserInnen meiner Storys erinnern sich. Oder er stellt sich dankbar schlafend weil doch noch Einzelkind und so. Aber da siehst du wieder, klar im Vorteil wer schauen kann, weil der nächste Blick fällt dann in das Zimmer des Vermissten. Und dort schläft er. Glücklich noch vom Fest auf dem er für Stimmung gesorgt hat. Nicht wissend, dass er nachher auch noch für Stimmung gesorgt hat – und am Ende doch noch für gute.
© Roland Kiefer 2019-09-17