von David Preiß
„Ihr machts eh keinen Blödsinn ge?“ Mit dieser Frage entließ ich die drei Burschen aus dem Kinderdorf ins Freie, damit sie sich verstecken konnten.
Meine zweite Woche als Zivildiener im Kinderdorf hatte begonnen und die Kinder hatten mich gebeten, mit ihnen verstecken zu spielen. Ich kam dieser Aufforderung gerne nach, da mir das Spiel bis heute noch viel Vergnügen bereitet. Also verkrochen sich die Kinder zu Beginn im Haus, wo ich als Betreuer tätig war, und ich suchte sie wieder und wieder, bis es keine unbekannten Orte mehr gab, wo sie meinen scharfen Augen entgehen konnten.
So kam uns die Idee, das Ganze nach draußen zu verlegen. Als ich die Kinder fragte, ob sie sich brav und unauffällig benehmen würden, riefen sie alle im Chor: „Jaaa!“. Ich musste fast lachen, da sie diese Antwort mit einer dermaßen starken Überzeugung verlautbarten, dass der beste Verkäufer der Welt sich etwas hätte abschauen können. Und so setzten wir unser lustiges Spiel fort. Ich zählte bis zweihundert im Wohnzimmer des Hauses und gab ihnen so etwas mehr als drei Minuten, um einen Ort zu finden, wo ich sie nicht sofort entdecken würde.
Kurze Zeit später, als ich fertig gezählt hatte, begab ich mich ebenfalls ins Freie. Doch als mir zwei Betreuerinnen mit einem erschrockenen Gesicht entgegenkamen und fragten: „Bist Du für die Burschen verantwortlich?“, ahnte ich Schlimmes. „Was ist denn passiert?“, wollte ich wissen und sie schilderten mir, dass einer der Burschen Steine gegen das Haus geworfen hatte. Er wollte durch den Lärm die anderen Betreuer ärgern und da er sechs Jahre alt war, konnte er die Situation noch nicht wirklich einschätzen.“Na bravo das fängt ja gut an!“, dachte ich mir.
Doch es sollte noch besser kommen: In unmittelbarer Nähe hörte ich den zweiten Burschen „Hilfeeeeee!“ schreien und ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen großen Baum neben dem Haus. Er war dort ganz nach oben geklettert und steckte nun in der Baumkrone fest. Da er anscheinend ebenfalls Höhenangst hatte, erleichterte uns dies den Job, ihn von dort wieder runterzubekommen, natürlich enorm. Ich holte zwei der Betreuer und bat sie, dem Jungen gut zuzureden, um ihm wieder nach unten zu helfen.
Der letzte Spitzbube der Dreien war in der Zwischenzeit ins Büro der Chefin gelaufen und winkte dort von ihrem Fenster mit einem breiten Grinsen zu uns nach unten. „Super, jetzt weiß die Chefin auch schon Bescheid“, schoss es mir augenblicklich in den Kopf. Doch sie nahm es mit Humor und sagte mir, dass sie sich über den Besuch des Kleinen gefreut hatte.
Im Anschluss wusste ich gar nicht mehr so recht, was ich den Burschen nun sagen sollte. Dass ein Versteckspiel innerhalb von drei Minuten so eskalieren konnte, war mir neu und deshalb musste ich über die Situationskomik etwas lachen. Die anderen Beteiligten sahen es zum Glück auch so und sagten mir nur, dass ich für die Zukunft daraus lernen sollte. Dies tat ich und holte mir von nun an mehrere Betreuer, die mich bei diesem Spiel unterstützten.
© David Preiß 2020-02-07