von MMWGO
Regentropfen fallen, von Wolken zu der Dachschräge und landen auf dem Fenster. Das Prasseln, ein Geräusch wie feine rasselnde Rasseln ist irgendwie beruhigend aber auch einsam. Der Himmel weint meine Tränen, meine Träne, die ich nicht weinen kann – nein nicht darf, mir nicht leisten kann. Der beißend, scharfe Geruch deiner Zigarette schwirrt noch immer im Raum, diesem dunkele traurig funktionalen Raum. Aber du bist längst abgeschwirrt. Dreimal hat der Deckenventilator sich um die eigene Achse gedreht, dann warst du ordentlich davon. Während ich noch immer da lag wie Olympia in Paris. „Caio“ und nichts weiter fiel in dieser Sekunde. Du lässt mich zurück, völlig klebrig in die diesem Raum wo das Bett, die Wäsche, ja selbst die Zimmerdecke klebt. Wir und sehr viele vor uns haben daran Anteil geleistet. Aber jetzt bist du weg. Montag oder vielleicht Samstag kommst du wieder – kommst du immer. Aber komme ich? Will ich das wirklich? Halte ich das noch aus? Eigentlich nicht, eigentlich überhaupt nicht. Denn es immer so wie heute, letzte Woche und die zig Male davor. Du kommst unten an, holst mich ab und führst mich hier hoch. Keine halbe Stunde später bist du wieder weg und sagst „Ciao“ „Ciao“, ohne eine Betonung, ohne ein Zucken auf deine rauroten Lippen und ohne irgendeine Emotion in deinen verwaschenen grauen Augen. Nur das verschwindende Schwirren deiner Zigaretten bleibt in ein wenig im Raum und ganz kurz drängelt sich die heiter fröhliche Musik in dieses schwarze Höllenloch.„Ciao“, „Ciao“- Gott wie ich dieses Wort hasse. Dich hasse, diesen furchtbaren Raum, die Situation und deine beschissene Zigarette hasse, verabscheue, ja am liebsten mit der nächsten Axt kurz und klein schlagen und mich drin wälzen will. Weil es dir egal ist, es nicht siehst, nicht sehen willst oder wohl einfach weg rauchst. Dass mir deine halbe Stunde etwas bedeutet, dass ich mich danach sehne, dass du nicht „Caio“ sagst, nicht einfach bezahlst und abhaust , sondern mich anlächeltest, mich berührst, mich mit deinen rotrauen Lippen küsst. Eigentlich will ich dich nicht hassen, sondern dich lieben. Meine Gefühle mit dir teilen und von dir erwidert bekommen. Du weißt es nicht, aber ich träume davon, dass du mich mit nimmst, raus aus dieser Hölle, dieser finsteren. Aber stattdessen gehst du einfach und lässt mich hier in meinem Elend. Du ziehst dich nur an, lässt das Geld da und sagst dieses verfickte „Ciao“ Was ist aber mit mir? Ich sterbe, werde von tausenden Nadeln erstochen so wie heute, letzte Woche und die zig Male davor. Aber gleichzeitig hasse ich dich dafür. Hasse dich, weil du mich nur wie eine Sexpuppe durchbumst und nur mit „Ciao“ verschwindest. Ich hasse es, das du mich nicht liebst, mich bezahlst und ich hasse es überhaupt dich zu lieben. Aber du bist der einzige, der mich irgendwie so benutzt, dass ich etwas dabei empfinde, mich zart berührt und mich irgendwie verführt. Und du bist der einzige, der mir zum Abschied irgendwas sagt. Deshalb brauche ich dich, vermisse ich dich, liebe dich. Wenn ich könnte würde ich abhauen, wegziehen und neu beginnen. Es wäre möglich, aber was dann? Dann bist du weg und ich bin wieder allein. Es ist zum Weinen, aber ich darf nicht weinen, denn der nächste der mich nimmt, kommt gleich. Ich gehe zum Bad und will mich waschen, aber vorher nehme ich deinen Geruch noch einmal auf. Eine Träne kullert herb, ich beobachte sie auf ihrem Weg zum Waschbecken. Ich wische ihre Spur weg, denn ich darf es nicht, aber ich würde es gerne.
© MMWGO 2024-05-13