von Ralph Saml
Als Kind wollte ich zuerst Koch, dann Arzt werden. Doch nach vier Jahren Gymnasium hatte ich keine Lust mehr auf Schule.
Was sollte ich stattdessen machen?
„Gehst halt arbeiten“. Die Aussage meiner Großmutter war keine große Hilfe. Also führte mich der Weg zum Arbeitsamt.
Eine nette Sachbearbeiterin zählte mir verschiedene Möglichkeiten auf: Versicherungskaufmann. „Da arbeiten Sie einem sehr schönen alten Gebäude, Herr Saml“.
Dann gabs noch eine Stelle als Buchhalter. „Hey, das wär doch was“! Damals glaubte ich nämlich, dass dieser Beruf etwas mit Büchern zu tun hätte. Und da ich sehr gerne las, war ich überzeugt, meinen Traumberuf gefunden zu haben.
So wurde ich Praktikant bei einem Steuerberater. Doch leider deckte sich meine Vorstellung nicht mit der Realität. Bald war ich im typischen Radl gefangen:
Montag-Depressionstag, Dienstag-Gewöhnung, Mittwoch-hey, da ist ja ein Licht irgendwo, Donnerstag- die gute Laune steigt, Freitag-yeah, ich könnte die ganze Welt umarmen, Samstag-High Life (doch wehe, wenn der Tag die übergroßen Erwartungen nicht erfüllen konnte), Sonntag-ein nichts mit sich anzufangen -Tag.
Was ich jedoch am Buchhaltungssystem mochte, war das Soll und Haben System. Das ist genial. Es muss sich immer auf 0 ausgehen. Wenn irgendwo was übrigbleibt, hat man bei der Buchung einen Fehler gemacht. Und ich liebte es, die Fehlerquelle ausfindig zu machen.
Dann kam dieser bewußte Freitag. Ich war auf dem Weg ins Büro und fuhr mit der Straßenbahn gerade über die Reichsbrücke. Ich las in der Kurierbeilage einen Artikel über eine Schauspielerin.
Plötzlich, aus heiterem Himmel, war sie da, die Gewissheit. Ich wußte von diesem Moment an, was ich in Zukunft machen wollte.
Danach war mein Leben nicht mehr dasselbe: Ich recherchierte wochenlang und meldete mich schließlich in der Schauspielschule Krauß an.
Meine Mutter und meine Großmutter waren entsetzt. „Was, du willst Schauspieler werden? Das ist doch kein Beruf! Bleib Buchhalter, da bist du auf der sicheren Seite“.
Doch ich ließ mich nicht beirren und verfolgte konsequent meinen Traum. Und heute, nach so vielen Jahren, spüre ich noch immer diese Leidenschaft.
© Ralph Saml 2019-04-14