Traumberuf – geschafft!

Eva Filice

von Eva Filice

Story

Die Entscheidung war gefallen. Ich werde zur Nachprüfung in Latein antreten. Egal wie diese Prüfung ausgehen wird, ich werde die Klosterschule in Eisenstadt verlassen. Während Papa mich nach Eisenstadt zum mündlichen Prüfungstermin begleitete, fuhr Mama nach Wien und meldetet mich für das neue Schuljahr in der Helgelgasse im Musisch Pädagogischen Realgymnasium an. Entweder für die 6. oder für die 7. Klasse.

Ergebnis wie erwartet: nicht bestanden. Auch Papa war von dem Ergebnis nicht überrascht. Er wollte noch mit der Direktorin, einer Nonne, sprechen. Sie meinte, dass sie nicht viel Zeit hätte. Worauf Papa bestimmt meinte, dass sie sich die jetzt nehmen müsse. Als wäre es heute, erinnere ich mich an Papas Worte: „Sie sind doch auch Lehrerin? Sie bilden hier zukünftige Lehrerinnen aus? Meine Tochter hat diesen Wunsch schon seit dem Kindergartenalter. Die Freude, mit der meine Tochter vor zwei Jahren hergekommen ist, konnten Sie ihr nicht nehmen. Sie hat hier viel gelernt!“ Fragend schaute sie Papa an. „Meine Tochter hat gelernt, wie Ungerechtigkeit weh tut, wie in dieser katholischen Schule Herkunft und Beruf der Eltern überbewertet bzw. abgewertet werden. Sie hat gelernt, dass der Wille und die Freude am Lernen nicht zählt. Ich lasse mein Kind hier nicht kaputt machen. Mit heutigem Tag melde ich sie von der Schule ab.“ Im Weggehen drehte er sich noch einmal zur Direktorin um und sagte laut und kopfschüttelnd „Grüß Gott!“

Während mein Vater mit der Direktorin sprach, so wie ich ihn noch nie sprechen hörte, erfüllte mich eine innere Ruhe und Geborgenheit. Hand in Hand traten wir über die Stufen ins Freie, ich hüpfte vor Freude. „Kann ich jetzt in Wien weiter zur Schule gehen?“, wollte ich bestätigt haben.

Diesen Schul-Schluss feierten wir am Würstelstand. Mama erfreute mich mit der Mitteilung der Aufnahme in der Hegelgasse. Meine Hoffnungen waren groß und wurden nicht enttäuscht. Nach der Matura besuchte ich die Pädagogische Akademie. Im ersten Dienstjahr unterrichtete ich in einer Hauptschule und danach in einer Volksschule in Simmering und in Penzing. In den letzten 20 Jahren war ich an der Pädagogischen Akademie (später Päd. Hochschule) als Didaktikerin für Deutsch und als Schulpraxisberaterin in der Ausbildung für Volksschullehrer*innen tätig. Mein Beruf hat mir immer große Freude bereitet. Die Arbeit mit Kindern und später mit den Student*innen erfüllten und bereicherten mich. Das Lehren per se und auch das Lernen von und mit Schüler*innen und Student*innen waren Meilensteine in meinem Leben. Im Rahmen des Erasmusprogramms konnte ich beim Dozent*innenaustausch in verschiedenen Ländern wertvolle Erfahrungen sammeln. Die didaktischen Seminare, die die erforderliche Brücke zur Unterrichtspraxis waren, fanden vor allem in Deutschland großen Anklang. Die Methodenfreiheit, die das österreichische Bildungswesen ermöglicht, bietet den idealen Zugang für die individuelle Förderung und Forderung der Schüler*innen. Mein Beruf als Lehrerin in verschiedenen Bildungseinrichtungen erfüllte und erfreute mich bis zum letzten Arbeitstag.

© Eva Filice 2021-10-14

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