von Weudl
Der Bosporus verfolgt mich in meinen Träumen. Diese Meerenge zwischen Asien und Europa, zwischen dem Marmarameer und dem Schwarzen Meer, zieht mich magisch an. Einmal möchte, nein muss ich, nach Istanbul und mir dieses landschaftliche Spektakel geben.
Es ist wieder einmal Montag und mein Wecker malträtiert mich. Wahrscheinlich will er mir erklären, dass es nun an der Zeit wäre, vielleicht doch meinen Knackpo in Richtung Arbeit zu bewegen. „Warum nur“, stöhne ich in mich hinein und spüre die sanfte Meeresbrise, die meine miesepetrige Laune vertreibt. Dann krieche ich auf allen Vieren aus meinem Bett und öffne die Vorhänge. Kurz raubt mir das Sonnenlicht den Atem. Ich halte meine Hand schützend vor die Augen und blicke raus aus meinem 17. Stockwerk. „Wien ist halt doch nur Wien und nicht mein Bosporus“, schleicht es durch meine Gedanken, als ich den vis-a-vis Nachbarn beim „Oh mein Gott, muss das wirklich sein Oben Ohne Sonnenbaden“ erblicke. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass mein Chef schon dreimal angerufen hat. Die Stummschaltung ist mein bester Freund und so gönne ich mir meinen „Gute Laune Kaffee“. Plötzlich zuckt das Smartphone und vibriert sich fast wortwörtlich von der Tischkante. Dogan, mein alter Schulfreund, ruft mich an. „Grüzi Samu, hast du Bock auf Istanbul? Mein Onkel ist krass sick und kann nicht fliegen. Drei Tage. Hotel. Fußballmatch inklusive. Kostet dich mein Freind nur 333 Flocken. In zwei Stunden flieg ma.“ Ratlos, aber mit einer gewissen Euphorie schaue ich den pelzigen Rücken meines Gegenübers an und antworte dann: „Klar“. Vier Stunden zwanzig später steigen Dogen und ich aus dem Flieger. Die salzige Meeresbrise durchdringt meine Sinnesorgane und schlagartig verändert sie mein Gemüt. Wir werfen uns in Touristenschale und Dogan zeigt mir die tollsten Ecken Istanbuls. Die Straßenstände mit Futter und die Bazare verströmen einen seltsamen Duft, der mein Blut zum Freudentanz aufruft. Das bunte Treiben auf den Straßen, das laute Zurufen und die fremden Sprachen lassen meine vergangenen Träume nun endlich wahr werden. Kurz vor 8 Uhr sitzen wir in einem Straßenlokal und essen die leckersten Köfte meines Lebens. Plötzlich gesellen sich einige junge Männer zu uns. Dogan unterhält sich kurz auf Türkisch mit ihnen, dann laden sie mich auch zu dem Gespräch ein. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen, auf Deutsch, Englisch und Türkisch. Es wird eine nette Plauderei. Wir bestellen eine Runde nach der anderen und irgendwann holt die Müdigkeit meinen Körper ein. Es ist kurz vor Mitternacht und ich deute Dogan, dass ich müde bin und ins Bett will. Er stimmt mir zu und als wir zahlen wollen und uns der Kellner die Rechnung bringt, trifft uns der Schlag. Istanbul, die Stadt meiner Träume, hat mich sitzen lassen. Mich und Dogan in einer Bar am Straßenrand in the middle of Istanbul. Der Kellner will sein Geld. Wir wollen den Betrag nicht zahlen. Dogan streitet mit ihm um die Summe. Er deutet in die Luft, denn dort, wo gerade noch eben die jungen Männer bei uns gesessen sind, ist nun nur noch die kühle Istanbuler Luft samt Brise zu spüren. Inmitten des Wortgefechts, von dem ich kein Wort verstehe, bimmelt mein Handy. Eine Nachricht von meinem Chef: Samuel, du bist heute nicht in der Arbeit gewesen, schon wieder! Ich kann nicht anders! Du bist gefeuert!
Er klopft mir auf die Schulter und wir rennen davon. Aus den Augen, aus dem Sinn, fast wie…
© Weudl 2025-03-15