von Anika Schäfer
Der Weltuntergang stand kurz bevor. Nicht in Wirklichkeit, natĂĽrlich. Viel mehr in meinem Traum, der mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf schrecken lieĂź. Mein Traum-Ich war unterwegs mit einer Truppe Bekannter. Da waren meine Freunde und die Gruppenleiter, die uns wie eine händchenhaltende Kindergarten-Mannschaft auf Ausflug von hier nach dort schickten. Es war ein ausgelassener Streifzug. Wir unterhielten uns angeregt, lachten. Die Sonne schien und fleckte unsere freudigen Gesichter mit goldenen Lichtpunkten. Bis sie es plötzlich nicht mehr tat. Die Stimmung kippte, von jetzt auf gleich. Der Sonnenschein verblasste und wurde zu schwarzem Firmament, vor dem sich undurchdringlicher Rauch wölkte. Die Luft schmeckte nach Asche und Verderben. „Zur Rakete!“, schrien unsere Gruppenleiter. Ihr Entsetzen und ihre Panik waren mit Händen greifbar. Mein Traum-Ich wusste genau, was mit dieser Aussage gemeint war. Die Rakete stand seit Tagen bereit, gerĂĽstet fĂĽr den Fall der Fälle. Dieser Fall war der Weltuntergang, der uns bereits im Vorhinein als nicht unwahrscheinlich prognostiziert worden war. Doch wir … wir hatten dieser Vorhersage nicht glauben wollen. Wir waren unbedarft und naiv gewesen und davon ausgegangen, dass das Schlechte an uns vorbeischlitterte. Davon auszugehen, dass das Negative ausschlieĂźlich die anderen betraf, lag wohl in der Natur des Menschen. Das allgemeine FĂĽrchten brach aus. Es wurde durcheinander geschrien, panisches GebrĂĽll durchschnitt die Finsternis. Bis zum Start der Rakete waren es noch fĂĽnf Minuten. FĂĽnf Minuten, die wir nutzen mussten, um Notwendiges zu erledigen. In der Rakete gab es keine Möglichkeit, seine Notdurft zu erledigen, und es standen auch keine Vorräte parat. Also mussten wir packen, Lebensmittel und Klamotten, und wir mussten ein allerletztes Mal eine Toilette aufsuchen. Mein Traumbild schwankte und auf einmal fand ich mich in einer ebensolchen wieder. Der Sanitärraum der Frauen war bis zum Anschlag besetzt. Als ich endlich auf dem Klo saĂź und meine Blase entleerte, war viel zu viel Zeit vergangen und ich erleichtert und unermesslich gehetzt in einem. Beim Hinaustreten machte ich eine erschĂĽtternde Entdeckung: Einige Gleichaltrigen drängten sich vor den Spiegeln und … schminkten sich! Ich musste wohl sehr fassungslos drein geschaut haben, denn eine von ihnen drehte sich zu mir um. „Was?“, blaffte sie mich an. „Wenn die Welt schon untergeht, will ich wenigstens gut aussehen beim Sterben.“ „Niemand muss sterben“, gab ich zurĂĽck. „Wenn wir es rechtzeitig zur Rakete schaffen.“ Die Rakete brachte uns in Sicherheit. Das hatte man uns ebenso prophezeit wie den Weltuntergang. Meine Ăśberzeugung kassierte jedoch einen mitleidigen Blick. In welchem rosafarbenen Universum lebst du?, schien der Blick auszusagen. Ich straffte mich und ging, doch meine Zweifel waren geweckt. War die Prophezeiung eine LĂĽge? Wenn ich es mir recht ĂĽberlegte, klang es unwahrscheinlich, alle Menschen des Planeten in einer Handvoll Raketen unterzubringen. Nicht zweifeln, redete meine innere Stimme auf mich ein und gab mir damit ausnahmsweise einmal einen brauchbaren Ratschlag. Positiv denken und hoffen. Sie hatte recht. Schwarzmalen brachte niemandem etwas. Das aktuelle Zeitgeschehen war zu dĂĽster, um es zusätzlich mit Pessimismus zu verpesten. Mein Traum-Ich wĂĽrde an seiner Hoffnung festhalten. Hoffnung verlieh Stärke. Mut. Und Zuversicht.    Â
© Anika Schäfer 2024-12-09