Traumtagebuch – 28. Eintrag, Teil 2

Anika Schäfer

von Anika Schäfer

Story

Zuerst … nichts. Wie geblendet kniff ich die Augen zusammen. Die Welt um mich herum war strahlend hell, als würde die morgendliche weiße Sonne durch feine Nebeltröpfchen hindurchscheinen. Ich blinzelte mehrmals, bis sich meine Sinne auf die neue Situation ausgerichtet hatten und ein Geräusch an meine Ohren drang. Motorengeräusche. In meiner Magengrube meldete sich ein dringliches Ziehen – das ungute, irrationale Gefühl, verfolgt zu werden. Ich hätte doch nicht durch diese Tür treten sollen. Ich träumte viel zu oft von Verfolgern, die mich durch enge Flure, finstere Wälder und schutzlose Landschaften hetzten.

Die Szene machte einen Sprung, und plötzlich saß ich in meinem Auto. In Endgeschwindigkeit raste ich über eine Wiese. Es musste zuletzt geregnet haben, denn der graue Himmel hing bleischwer über den Wipfeln der nahen Tannen und das Gras war dermaßen aufgeweicht, dass die Reifen regelmäßig durchdrehten. Ein Schulterblick bestätigte meine Befürchtung: Die Verfolger waren immer noch hinter mir her. Sie verfügten über robuste Geländewagen, die dem Untergrund wesentlich gekonnter trotzten. Ich trat das Gaspedal durch und jagte auf einen Hang zu. Der Motor heulte auf. Mein Auto wurde langsamer. Ich knallte den zweiten Gang rein, da mein altersschwacher Liebling bei Steigungen gehörig ins Schwitzen kam. Doch das Auto stotterte plötzlich und … blieb stehen! Fluchend riss ich an der Handbremse, damit der Wagen nicht rückwärts den Hang hinabrollte. Da die Verfolger nicht von mir ablassen wollten, blieb mir nur noch eine Möglichkeit: laufen. Ich riss also die Autotür auf, stürzte ins Freie und rannte los. Meine Stiefel gaben in dem Schlamm schmatzende Geräusche von sich.

Ein erneuter Szenenwechsel. Ich hielt auf mein Zuhause zu, in der Hoffnung, mich dort in Sicherheit bringen zu können. Zu meinem Verdruss erkannte ich jedoch, dass die Fremden sich in zwei Gruppierungen gespalten hatten, und die eine davon bereits mein Haus eingenommen hatte. Meine Schwester, die allein von diesem Traum gewebt worden war, war gerade dabei, an dem Feigenbaum, der bis zum Fenster des ersten Stocks wucherte, hinauszuklettern. Panisch blieb ich stehen und rief ihren Namen. „Weiter!“, schrie sie mir zu. „Renn weiter, ich komm’ schon klar! Sie sind hinter dir her, nicht hinter mir. Sie werden mir nichts tun!“ Notgedrungen hörte ich auf sie und setzte mich wieder in Bewegung. Meine Beine bewegten sich so schnell, dass ich sie nicht mehr mit den Augen erfassen konnte. Mein Atem ging rasch und ungleichmäßig. Noch ein Sprung und noch einer … und … ich war zurück im Korridor. Keuchend ließ ich mich an der schwarzen Wand hinabgleiten. Mein Brustkorb hob und senkte sich erschöpft. „Na? Wie war’s?“, begrüßte mich die Kreatur. Ich war zu ausgelaugt, um eine Antwort zu geben. Sie wartete auch nicht darauf. Ihr Schmunzeln vertiefte sich, der Zeigefinger auf die benachbarte Tür gerichtet. „Wie sieht’s aus? Willst du noch eine Erfahrung sammeln?“

Meine Lippen bogen sich zu einem seichten Lächeln.  


© Anika Schäfer 2025-07-07

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Mysteriös, Reflektierend, Angespannt