Trennlinie Europas Eiserner Vorhang

Christian H. Moser

von Christian H. Moser

Story

Bis 1989 trennte der Eiserne Vorhang Europa in zwei Teile. Er zog sich durch Europa von der Barentssee im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden. Traurige Berühmtheit erlangte die fast 1.400 Kilometer lange innerdeutsche Grenze. Sie trennte die beiden deutschen Staaten, im Westen die BRD (Bundesrepublik Deutschland) und im Osten die DDR (Deutsche Demokratische Republik). Einige Hundert Menschen aus der ehemaligen DDR verloren auf der Flucht in den rettenden Westen ihr Leben. Das friedliche Ende dieser jahrzehntelangen Geisel mit dem Mauerfall am 9. November 1989 ist eines der größten historischen Ereignisse des vorigen Jahrhunderts.

In meiner Jugendzeit konnte ich diese Trennlinie Europas mehrmals selbst erleben, erstmalig 1986 auf dem Priwall in der Lübecker Bucht. Badelustige und Sonnenhungrige – teilweise FKK-Fans – vergnügten sich am Sandstrand. Wenige Meter weiter östlich – getrennt durch einen Angst einflößenden Stacheldrahtzaun – gähnende Leere, überwacht nur von Soldaten mit scharfer Munition auf ihren Wachtürmen.

Die Durchquerung des Eisernen Vorhangs benötigte eine gewisse Nervenstärke. Unterschiedlich nach Ländern mussten mehrere Grenzposten überwunden werden. Am letzten erfolgte die schärfste Kontrolle unter gestrenger Aufsicht der Obersten. Grinsen oder blöde Sprüche waren da nicht mehr angesagt.

Ex-Jugoslawien als blockfreies Land erschien im Grenzverkehr eher noch locker. Hier freute man sich auf Urlauber mit ihren Devisen. Der Ungarnaufstand 1956 und der Prager Frühling 1968 brachte den beiden Ländern nach der Niederschlagung durch sowjetische Truppen die völlige Isolation. Ungarn konnte sich etwas früher aus dieser Fessel befreien. Für die Tschechoslowakei hielt sie bis zum Schluss 1989.

Mein Tschechoslowakei-Trip 1988, mit strengsten Visaauflagen, Pflichtumtausch, schärfsten Grenzkontrollen und spürbarer Observation, wirkt noch heute nach. Viermal wurde ich für Verkehrsdelikte bestraft. Gezahlt habe ich immer, die Angst im Nacken ließ mir keine andere Wahl. Ob die Vergehen nach geltendem Recht immer auch solche waren, wurde von uns nie hinterfragt? Trotzdem, auf der Prager Karlsbrücke konnte man im Nachhinein gesehen, schon eine gewisse Aufbruchsstimmung bei der Jugend erleben. Nur ein Jahr später war der Eiserne Vorhang Geschichte. Die ersten Grenzanlagen entlang des Eisernen Vorhangs baute man ab Mai 1989 in Ungarn ab. Am 27. Juni 1989 erfolgte die symbolische Öffnung des Grenzzauns bei Sopron durch die Außenminister Alois Mock und Gyula Horn. Mit dieser Geste wurde das endgültige Ende des Eisernen Vorhangs eingeleitet.

Mit meinen Erfahrungen konnte ich 1989 die Freude und Erleichterung der Menschen sehr gut verstehen. Die größte historische Leistung ist wohl jenen zuzusprechen, die einen friedlichen Verlauf dieses epochalen Umbruchs ermöglichten.

© Christian H. Moser 2021-02-16