Türke frei Haus

Nick_O

von Nick_O

Story

Franz und Karl waren zwei zuverlässige Krankenpfleger, die sich lange kannten und denen in ihrer Tätigkeit schon so einiges untergekommen war. An diesem Nachmittag stand nichts Großes mehr an. Sie sollten Herrn Uztür, der mit eingegipstem Bein und Krücke endlich entlassen werden konnte, mit dem Rettungsauto zum Haus seiner Tochter fahren. Als sie dort ankamen, öffnete ihnen allerdings niemand die Tür.

Also rief Franz in der Aufnahme an, um Helga, die an diesem Tag Dienst hatte, noch einmal nach der vereinbarten Lieferzeit zu fragen. Da die beiden etwas verspätet aufgebrochen waren, erkundigte sich Herrn Uztürs Tochter aber zur selben Zeit bereits einigermaßen aufgeregt nach dem Verbleib ihres Vaters, sie warte jetzt schon über eine halbe Stunde.

Nach einem ratlosen Moment hob Karl kurzerhand die Fußmatte an und fand darunter tatsächlich einen Hausschlüssel. »Und das in Wien«, sagte er.

Drinnen legten sie den schläfrigen Herrn Uztür auf die Couch und stellten daneben die Krücke ab. Als sie auf der Rückfahrt im Abendverkehr stecken blieben und einen Moment lang in Erwägung zogen, das Blaulicht einzusetzen, erreichte sie der weitergeleitete Anruf von Uztürs Tochter, der Helga die Lage auch nicht hatte erklären können.

»Wir haben ihn gerade geliefert«, meinte Franz.

»Geliefert? Mein Vater ist doch kein Paket.«

»Mein Kollege meint übrigens, dass es keine gute Idee ist, den Schlüssel unter die Matte zu legen.«

»Wovon bitte sprechen Sie?«

»Jedenfalls haben wir die Lieferung, ich meine Ihren Vater in der Spargelfeldstraße abgelegt.«

»In der Spargelfeldstraße? Aber da wohne ich doch schon lange nicht mehr.«

Nach einem langen Einkaufstag ließ Ursula Fridel endlich die Haustür hinter sich zufallen, und vernahm im selben Augenblick ein lautes, tiefes Schnarchen, das zweifellos aus ihrem Wohnzimmer kam. Ein Schauer durchfuhr sie. Durch den Türspalt erspähte sie einen schlafenden Türken auf ihrer Couch und neben ihm eine Krücke. Einen Mann geliefert zu bekommen, darauf wartete sie im Grunde ja schon lange. Aber so? »Jetzt sind die Einbrecher schon mit Krücken unterwegs«, sagte sie laut vor sich hin und trat damit die Flucht aus ihrem eigenen Heim an.

Als Franz und Karl erneut am Haus ankamen, trafen sie sie aufgewühlt mit der Polizei telefonierend an.

Kurz darauf erzählten sie ihr und den Polizisten, wie es zu der seltsamen Hausverwechslung gekommen war.

Während Herrn Uztürs Krankenhausaufenthalt war seine Tochter umgezogen und hatte nicht daran gedacht, die Adressänderung dem Krankenhaus bekanntzugeben. Herr Uztür hatte das Krankenhaus zwar lebend verlassen, seine Karteileiche mit der falschen Adresse aber nicht. Nun konnte er, der den ungeplanten Besuch seines alten Zuhauses größtenteils verschlafen hatte, endlich zu seiner neuen Wohn-, oder wie Franz gesagt hätte, zur neuen Lieferadresse gebracht werden.

© Nick_O 2019-04-11

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