Türkisch für Fortgeschrittene

Dotti-on-the-road

von Dotti-on-the-road

Story

In unserer Mädls- WG in der Budinskygasse ging es oft hoch her. Die Wohnung war an sich nichts besonderes. Sie war gut geschnitten, das heißt sie verfügte über drei Schlafzimmer, keines davon war ein Durchgangszimmer und hatte ein ordentliches Bad. Die Wohnung befand sich unweit von WU und BOKU und nicht selten kamen Freunde nach der Vorlesung einfach vorbei. Zur Stammmannschaft zu gehören kam einer Art Ritterschlag gleich. Man war dann eine „Budinsky“. Was in der Welt natürlich nichts bedeutete, aber in unserem Freundeskreis eben schon.

Die Gründerinnen der WG waren Loisi, Mali und Moni. Später kam auch ich in den Genuss dort wohnen zu dürfen. Wenn ich heute so zurückdenke, gehörte feiern und auf keinen Fall das tun, was eigentlich getan werden sollte zu unseren Hauptbeschäftigungen. Heute nennt man das „Prokrastination“…damals hatten wir noch keinen Namen dafür. Aber gefeiert wurde ausgiebig und exzessiv. Einen Anlass brauchte es nicht und Herrenbesuch war höchst willkommen.

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern wie wir die Gruppe junger, fescher Türken kennengelernt haben. Es war auch noch etwas vor meiner Zeit als „Budinsky“. Die türkische Abstammung konnte man ihnen weder anhören noch ansehen. Sie hatten allesamt in Istanbul eine deutsche Schule besucht, sprachen äußerst gepflegtes Deutsch und hatten gute Umgangsformen. Ihr Lebensstil entsprach ganz und gar nicht dem was wir uns von Muslimen erwartet hätten. Unsere jungen Freunde lebten als ob es kein morgen gäbe. Lachten, feierten, tranken was das Zeug hielt und machten auch vor sonst nichts halt. Es ging nicht ums Verlieben, es ging nur ums Erleben und ums Ausprobieren. Es war klar, dass keine Österreicherin bei deren Eltern im fernen Istanbul als Ehekandidatin durchgegangen wäre .

Mali, musste sich das Geld für ihr Studium regelmäßig während der Sommerferien als Serviertochter in der Schweiz verdienen. So kam es, dass Ebru, eine junge Türkin, für einige Wochen Malis Zimmer übernahm. Auch ihr merkte man kaum an, dass ihre Wurzeln nicht österreichisch waren. Obwohl Ebru abends länger wegblieb, schlug sie Angebote, uns bei unseren nächtlichen Streifzügen zu begleiten, regelmäßig aus. Noch verwunderlicher fanden wir, dass sie offensichtlich mit ihren türkischen Landsmännern genau so wenig zu tun haben wollte wie mit uns.

Irgendwann knackten wir sie. Wir fanden heraus, dass sie einen fixen Freund hatte und das Leben ganz ohne Abstriche genoss, aber jungfräulich in die Ehe gehen wollte. „Nanu, wie geht sich das aus?“ fragten wir verwundert.

Sie lächelte und meinte: „Meine Mutter kennt da einen Arzt in den USA, der wird das wieder richten“. Jetzt war auch klar warum sie auf Distanz zu ihren Landsmännern ging. Weil Istanbul ist ja auch nur ein Dorf!

© Dotti-on-the-road 2019-08-15

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