Typisch Wochenende

Känguru

von Känguru

Story

Heiß! Ich schrecke aus dem Schlaf hoch. Warum ist es so heiß hier?  Im Halbschlaf drehe ich meine Decke um und Kühle umschließt mich. Zufrieden drehe ich mich wieder zur Seite. Wenig später zergehe ich fast wieder unter der Decke. Schlaftrunken stehe ich auf, kippe das Fenster und trinke ein paar Schluck Wasser. Abgekühlt tapse ich zum Fenster und will es wieder schließen, doch der Griff blockiert. Echt jetzt? Ich rüttle ein wenig, doch es bewegt sich nichts. Was mache ich denn jetzt? Langsam werde ich ganz wach. Ich blicke auf mein Handy. Fünf Uhr Früh am Samstagmorgen. So hatte ich mir das Ausschlafen nicht vorgestellt! Die einzige Möglichkeit, die ich um diese Uhrzeit wohl habe, ist Dr. Google zu befragen. Ich lese mir verschiedene Beschreibungen durch, lerne allerlei über Fenster und komme mir bei jedem Wort wie „Pilzkopf“ zunehmend dümmer vor. Ein Beitrag verspricht eine recht einfache Lösung: den Griff waagrecht drehen, das Abdeckplättchen drehen und den Griff gut festschrauben. Okay, das bekomme ich hin. Aber nicht um fünf Uhr morgens. Mit klopfenden Herzen krieche ich wieder ins Bett und ziehe mir die Decke über den Kopf, damit mich die kalte Luft nicht gleich wieder weckt. Unruhig wälze ich mich hin und her, meine Gedanken sind stets bei dem Fenster. Was ist, wenn es nicht klappt? Muss ich ein neues Fenster zahlen? Fenster sind teuer, was wird meine Vermieterin dazu sagen? Irgendwann falle ich dann doch wieder in den Schlaf, werde aber gefühlt Sekunden später wieder von meinem Wecker geweckt. Acht Uhr. Voller Tatendrang hole ich meinen Schraubenzieher und ziehe die Schrauben des Griffes fest. Und ‒ es bringt gar nichts! Der Griff bewegt sich genauso weit nach oben und unten wie davor – nämlich gar nicht! Mir wird immer heißer, obwohl ich bei Minusgraden Außentemperatur im kurzen T-Shirt vor einem gekippten Fenster stehe. Also bleibt mir nur noch eine Wahl.

Schnell wähle ich die Nummer meines Vertrauens in solchen Fällen – Papa. Aus der Ferne sind seine Ratschläge natürlich auch begrenzt. Ich könnte den Griff ganz herunterschrauben und in der gewünschten Stellung hinschrauben probieren, vermutlich müsse man das Fenster aber neu einstellen, da es verzogen sein wird. Ich bin also genauso schlau wie davor, doch nun habe ich Gewissheit: Ich bin ab hier machtlos! Schweren Herzens klingle ich an einem Samstag bei meiner Vermieterin.

Lockenwickler im Haar. Mehl an den Händen. Ich muss trotz meines morgendlichen Dramas schmunzeln. Bevor ich mein Problem schildern kann, bekomme ich eine Erklärung zum äußeren Erscheinungsbild meiner Vermieterin. Sie bekomme später noch Besuch und an einem Samstag bäckt sie das Brot dann gerne selbst, weil man es da nicht so eilig hat. Ich stimme ihr zu, wage es kaum, ihr das Wochenende zu verderben. Es nutzt nichts, ich muss es ihr sagen. Schweren Herzens beichte ich ihr mein Dilemma. – Sie winkt nur ab und meint, das sei kein Problem, das komme bei alten Fenstern schon mal vor und sie kümmere sich am Montag darum. Erleichtert kehre ich in meine Wohnung zurück und beginne nun endlich mit meinem Wochenende, Drama hin oder her.


© Känguru 2024-02-25

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Angespannt
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