Über das Parkett schweben

Ich drehe mich in einem Doppelspin auf dem Parkett. Mein Kleid flattert wunderschön hoch um mich herum, meine Unterhose ist wahrscheinlich zu sehen. Ist mir egal. Ich bin in meinem Moment. Mein Freund und ich legen einen Boogie hin. Und nicht nur irgendeinen, sondern den besten auf diesem Schulball. Später im Damen-WC werde ich Thema Nummer eins sein. Und mit meinen bunten Haaren bleibe ich vielen, nicht nur wegen meines Tanzstils, in Erinnerung. Es ist nicht der erste Ball, auf dem wir die Augen vieler auf uns ziehen. Und es wird auch nicht der letzte sein. Und doch hat alles so unspektakulär begonnen:

Wie gefühlt jeder, durfte ich auf Zwang meiner Eltern einen Standardtanzkurs belegen. Damit ich mich auf Bällen nicht blamiere. So ging ich mit 9 anderen aus meinem Freundeskreis in die Tanzschule. Ein Grundkurs extra für Jugendliche. So wie es sich gehört. Für mich begann es wahrscheinlich doch etwas anders als bei anderen. Mein erster Tanz, mit meinem damals noch nicht Freund, hatte es auf sich. Warum? Ich sah aus wie ein Junge, kurze Haare, oversized Pulli. Von hinten nicht wirklich unterscheidbar. „Bitte nicht zwei Herren gemeinsam tanzen“, die Worte meiner Tanzlehrerin sind mir noch immer in meinem Kopf. Mein schüchternes: „Ich bin eh weiblich“ und ihr geschockter Blick danach. Wie als wäre es gestern gewesen. Ihr darauffolgender „Entschuldigungstanz“ mit mir und das Vorzeigen der ersten Figur.

Viele hätten wahrscheinlich vor Scham keinen Fuß mehr in die Tanzschule gesetzt. Wer will schon für das falsche Geschlecht gehalten werden. Ich jedoch liebte tanzen vom ersten Tag an. Die Tanzschule wurde mein zweites Zuhause. Und nicht nur das: Die ersten Liebesgeständnisse meines Freundes und der erste Kuss waren ebenfalls dort.

4 Jahre später und eine Beziehung und ein Hobby mehr gehen mein Freund und ich noch immer begeistert in die Tanzschule. Wir sind fast immer die Jüngsten, haben es in den Kursen bis zu Platin geschafft und tanzen einfach gerne. Egal ob in der Tanzschule, auf Veranstaltungen oder auf Bällen. Hin und wieder durften wir sogar als Tanzassistenten helfen.