von MISERANDVS
Es soll ja Menschen geben, die meinen, ich könnte schreiben. Also, schreiben kann ich, doch was die meinen ist, ich schriebe schön. So, dass man’s lesen mag, dass es das Auge freut und auch das Herz gelegentlich erquicket. Ich find‘ das nicht. Ich bin ein Stammel-Peter, wie ich immer sag‘. Mit meinen Sätzen bin ich nie zufrieden. Und schreib‘ ich über Dinge, die mir wirklich wichtig sind, dann bin ich zornig, will mir oft selber auf die ungeschickten Finger klopfen, weil sie so einen Käse tippen. Ich schreib‘, wie Kinder Puzzles bauen. Ich nehm ein Wort, ich leg es auf die Lücke in dem Satz und stelle fest: Das passt da nicht. Dann dreh ich es nach allen Seiten, und drück’s am Ende in die freie Stelle, dass sich die Zapfen biegen und hau noch einmal drauf mit meiner Faust und sage: „Siehste, passt ja doch!“ Der Leser liest’s und schreckt zurück und sagt zu meinem Puzzle-Satz: “Pfui Deibel! So ein Schund.”
Ich schrieb so gern ganz schön. Ich wär‘ zufrieden, schrieb ich nur passabel. Es gibt so große Literaten auf der Welt, die Sätze konstruieren, die einem in der Birne haften bleiben, aus denen ganze Filme einer filmt. “Wieso liegt hier eigentlich Stroh ‚rum?” Genial! Mir fiel das niemals ein! So eine Schande! Erst neulich las ich einen Titel zu bewegten Bildern, der da hieß: “Wenn im Spalt der Knüppel knallt.” Da nickte ich ergriffen und sprach aus ganzem Herzen: “Scheiße! Ist das schön. Sogar gereimt.” Oh, hohe Kunst der schönen Worte! Wieso nur liebst du mich denn nicht?
Ich schreib‘ Geschichten und Gedichten, hab‘ keinen hohen Anspruch dran. Ich schreib, dass mir nicht Herz und Schädel platzen. Gefallen will ich nicht damit. Nur einmal schrieb ich schön für ein paar Jahre. Es waren Briefe an ein lindes Herz. Und’s Herz, es schrieb zurück. Und Wort um Wort da spornten wir einander an, noch etwas Schöneres zu schreiben. Es hoben ihre Worte mich hinauf in Silbenhöhen, und meine schrieben Worteflügelchen für sie, damit sie mit mir schweben konnte. Ja, das war schön. Dann starb sie, und es liest kein Mensch die schönen Worte mehr. Nie wieder. Denn Brief auf Brief verstaubt, verrottet ohne Sinn. ’s war alles für die Katz. Und die kann gar nicht lesen.
Von Zeit zu Zeit gelingt mir doch ein Satz, den ich passabel finde. Dann lächle ich beglückt und fange an zu träumen, ob nicht das Schreiben doch noch meine Gabe ist. Ich blick‘ voran, ich träume wild und ungezügelt davon, berühmt zu werden mit dem, was ich schriftle: Als Bierzeltg’stanz’lschreiber gehobenen Niveaus. Ein Augenblick nur. Ich seufze bald und flüstere ernüchtert: So gut werd‘ ich nie sein.
Ich seh’n mich heute sehr nach jener Zeit der schönen Briefe. Als meine Worte zueinander passten wie Arsch auf Eimer und wirklich dazu reichten, ein schönes Herz so dusselig zu schreiben, dass es mir ganz verfiel. Wie hab‘ ich das nur hinbekommen? ’s ist einerlei!
Am Ende bleibt selbst von den allerschönsten Worten nur ein Stein auf einem Haufen Erde und tausend blaue Umschlag-Stempel: “Empfänger unbekannt.”
© MISERANDVS 2021-05-30