Ăśber Gebet und Verantwortung

Lara Moritz

von Lara Moritz

Story

Die Ohnmacht Gottes bedeutet nicht, dass Gott den Menschen im Handeln allein lässt – vielmehr begleitet Gott den Menschen im Handeln und gibt ihm die innere Stärke, auch angesichts von Widerstand und Rückschlägen weiterzumachen.                                                                                                   In „Gott hat keine anderen Hände als unsere“ wird deutlich, dass das Gebet nicht als Ersatz für Handeln dient, sondern als Grundlage und Motivation dafür. Wer betet, muss bereit sein, auf das Gehörte zu antworten – nicht nur mit Worten, sondern mit Taten. Die Trennung zwischen spiritueller Erfahrung und gesellschaftlichem Engagement wird dadurch aufgehoben: Gebet und Handlung werden zu zwei Seiten derselben Wirklichkeit.

Sölle knüpft dabei an die mystische Tradition an, insbesondere an Meister Eckhart, der bereits im Mittelalter die Einheit von Kontemplation und Aktion betonte. Wer im Gebet die Nähe Gottes erfährt, wird durch diese Erfahrung zum Handeln in der Welt befähigt. Die spirituelle Tiefe des Gebets wird so zur Grundlage für die politische und soziale Praxis.

Politische und gesellschaftliche Verantwortung

Die politische Dimension von Sölles Theologie wird in „Gott hat keine anderen Hände als unsere“ besonders deutlich. Die Aussage, dass Gott durch menschliches Handeln wirkt, macht den Menschen nicht nur zum geistlichen, sondern auch zum politischen Akteur. Wer an Gott glaubt, trägt Verantwortung für die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse, in denen er lebt. Sölle betont dabei besonders die Verantwortung gegenüber den Schwachen und Entrechteten. Ihre Theologie steht in der Tradition der Befreiungstheologie, die das biblische Gebot der Nächstenliebe als Auftrag zur sozialen Gerechtigkeit versteht. Die Option für die Armen, die in der lateinamerikanischen Befreiungstheologie eine zentrale Rolle spielt, wird bei Sölle zum Maßstab für christliches Handeln.

In der heutigen Zeit gewinnt diese politische Dimension neue Aktualität. Die Klimakrise, soziale Ungleichheit, globale Flüchtlingsbewegungen und politische Konflikte stellen die Menschheit vor große Herausforderungen. Die Frage, wie Gott in dieser Situation gegenwärtig ist, beantwortet Sölle eindeutig: Gott wirkt nicht durch Wunder oder übernatürliche Eingriffe, sondern durch das Handeln der Menschen. Wer an Gott glaubt, ist daher verpflichtet, sich für soziale Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.

Diese Verantwortung ist unbequem, weil sie den Einzelnen aus der Komfortzone herausfordert. Glaube wird nicht zur Quelle von Sicherheit, sondern zur Quelle von Unruhe – weil er dazu aufruft, sich mit den Opfern von Krieg, Armut und Unterdrückung zu solidarisieren. Die Aussage „Gott hat keine anderen Hände als unsere“ fordert die Gläubigen heraus, nicht nur an die Liebe Gottes zu glauben, sondern selbst zum Werkzeug dieser Liebe zu werden.

 

© Lara Moritz 2025-03-09

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