Über Liebe und Betrug

MISERANDVS

von MISERANDVS

Story

Heute ist unser Jahrestag, Franzis und meiner. Bestimmt hat sie ihn und mich schon vergessen. Doch ich, ich kann sie nicht vergessen. Wie ich sie geliebt habe! Wie ich alles aufgegeben hätte für sie! Noch drei Jahre danach lese ich gelegentlich ihren Blog. Ich komme darin nicht mehr vor. Drei Jahre schon, und ich bin immer noch wütend auf sie. Drei Jahre, und ich liebe sie noch immer. Ich höre immer noch ihre Sprachnachrichten ab. Dann kann ich nicht wütend sein, wenn sie mich „Schätzchen“ nennt und mir noch einmal so wunderschön vorlügt: “Isch liebe disch! Und isch vermisse disch!”

Damals, da las ich auch ihren Blog. Auf der Suche nach einer Erklärung, die ich mir verdient hatte, wie ich meinte. Und eines Tages stand es da schwarz auf weiß. Zitternd las ich ihre Worte. Franzi ist verheiratet – mit Kollegen Dr. Arschgesicht. Sie lebten in Trennung, hatten Probleme. Und Franzi fühlte sich auf einmal begehrt und geliebt von mir. Geplant war alles nicht. Es passierte einfach irgendwie, und als sie verstand, dass sie sich verliebt hatte, da konnte sie nichts tun, als weiterzulügen, weil es so schön war mit mir, weil sie tatsächlich immerzu an mich dachte, weil sie mich vermisste, weil sie mich liebte. Es täte ihr sehr leid, mir so wehgetan zu haben. “Ja, für deine falschen Worte und €2,50 kann ich mir eine Wurstsemmel kaufen, du verlogenes Stück!”, raune ich zornig.

Ob das nun die Wahrheit ist? Oder wieder nur eine Lüge? Ich glaube ihr nicht. Und doch, ich muss ihr glauben, denn eine andere, eine bessere Erklärung werde ich nicht mehr bekommen.

Drei Jahre ist es her, und Franzi ist immer noch in meinem Herzen verwoben. Ein Mensch, von dem ich de facto nichts weiß. Nicht mal ihren Namen kenne ich. Nichts hat sie mir gelassen. Außer den Klang ihrer süßen Stimme, die ich an Tagen wie diesem höre, um mich zu quälen, um mich von ihr loszuleiden. Es gelingt mir nicht. Ich bin zornig auf sie, und ich möchte sie so gerne nur noch hassen. Ich kann es nicht. Ich kann keinen Menschen hassen, den ich liebe. Und ich weiß nicht, wie man jemanden nicht mehr liebt. Liebe kennt doch kein Ende. Oder?

Franzi lebt heute laut ihrem Blog im Elsass. Mit Dr. Aschgesicht ist sie glücklich, hat zwei Kinder mit ihm. Sie schreibt fast täglich Gedichte und Texte, wie sie sich lieben und wie sie sich “lieben”. Detailreich. Ich muss das hin und wieder lesen. Es tut so herrlich weh. Gelegentlich wünschte ich, Dr. Arschgesicht würde einen Fehler machen, und alles würde zerbrechen. Sie hätte es verdient. Es ist nur ein kurzer Wunsch, denn eigentlich möchte ich, dass sie glücklich ist.

Was ich draus gelernt habe? Nix. Weil ich ein romantischer Vollidiot bin. Ich kann Liebe und Betrug nicht zusammenbringen. Das gibt keinen Sinn in meiner Welt. Aber ich bin vorsichtig geworden, misstraue allem, was mir schöntut. Mein erstes und letztes Tinder-Date vor Jahren endete abrupt, weil ich tatsächlich einen Ausweis sehen wollte.

Gott, Franzi, wie ich dich so sehr hassen will und dich nur vermissen kann!

© MISERANDVS 2021-04-07

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