Überdauert

Elisabeth Kinigadner

von Elisabeth Kinigadner

Story

In den letzten Tagen habe ich mit mir gehadert, mich mit einigen Menschen ausgetauscht und dann entschieden. Ich hätte gerne einen politisch motivierten Text verfasst. Zu meiner Freude habe ich bemerkt, dass sich bei den Geschichtenschreiberlingen der Schöngeist breit macht und einige haben Zeiten ins Dasein gerückt, die lange zurückliegen. Ich lasse die Revolte. Da nehme ich einen mir gestern mehrfach vor Augen geführten Bekannten zum Vorbild. Und verzichte. Die Fragen nach Lieblingsbuch, Lieblingsfilm, anderen Lieblingen, stelle ich in jeder Lerngruppe. Inspiriert von AutorInnen hier, dachte ich lange darüber nach, welches Buch mich vornehmlich geprägt hat. Ein schwieriges Unterfangen, wenn ich mich daran erinnere, wie ich “Der Name der Rose” atemlos gefressen habe und mein Baby zwar versorgte, bei Gott, aber auch nicht mehr. Dabei hatte ich den Film schon im Kino gesehen und kannte die Handlung. Auch Gioconda Belli’s Bücher hatten ähnlichen Sog. “Die Glut” von Sándor Márai, ohne aufzusehen. Das ließe sich fortsetzten. Die, denen ich mich nur genähert habe, hatten ihre Chance bis Seite Hundert. Von jedem weiß ich, wer es mir geschenkt, oder empfohlen hat, oder wann und wo ich es gekauft habe.

Ich habe es gefunden. Das zu verraten, ist ein annähernd großes Wagnis, wie einen proaktiven, politisch motivierten Text zu veröffentlichen.

Geschenkt hat es mir meine Lehrerin der ersten und zweiten Volksschulklasse. Da war ich schon zwölf. Ich dachte, es wäre ein Kinderbuch und habe es gelesen. Immer und immer wieder. Noch heute nehme ich den gebundenen Band, erworben 1984, aus dem Regal und lese ein Kapitel. Die Sätze, die Hochzeitsanzeigen, Taufeinladungen, inflationär vermarktet, fast alles zieren, die lese ich nicht.

Mein Lieblingskapitel ist vielleicht noch nie irgendwo abgedruckt außerhalb. Es ist so ein leidenschaftliches Aufbäumen. Zorn ist proaktiv.

Aus “Der kleine Prinz”

‘Der kleine Prinz war jetzt ganz blass vor Zorn.’

“Es sind nun Millionen Jahre, dass die Blumen Dornen hervorbringen. Es sind Millionen Jahre, dass die Schafe trotzdem die Blumen fressen. Und du findest es unwichtig, wenn man wissen möchte, warum sie sich so viel Mühe geben, Dornen hervorzubringen, die zu nichts Zweck haben? Dieser Kampf der Schafe mit den Blumen soll unwichtig sein? Weniger ernsthaft als die Additionen eines dicken, roten Mannes?“

……..

Er konnte nichts mehr sagen. Er brach plötzlich in Schluchzen aus. Die Nacht war hereingebrochen. Ich hatte mein Werkzeug weggelegt. Mein Hammer, mein Bolzen, der Durst und der Tod, alles war mir gleichgültig. Es galt auf einem Stern, einem Planeten, auf dem meinigen, hier auf der Erde, einen kleinen Prinzen zu trösten! Ich nahm ihn in die Arme. Ich wiegte ihn. Ich flüsterte ihm zu: “ Die Blume, die du liebst, ist nicht in Gefahr…Ich werde ihm einen Maulkorb zeichnen, deinem Schaf… Ich werde dir einen Zaun für deine Blume zeichnen…Ich…”

Es ist so geheimnisvoll, das Land der Tränen.‘

© Elisabeth Kinigadner 2021-10-25

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