von Pretulia
Es ist schon einige Zeit her, aber jeder in der Familie erinnert sich noch an diese Geschichte.
Ich war 14 Jahre. Es war Winter, ein richtiger Winter, mit Eiseskälte und Schneebergen auf den Gehsteigen. Für uns Kinder aber war es einfach herrlich. Es war schon späterer Nachmittag als meine Schwestern und einige Nachbarkinder die Rodeln schnappten und Richtung Berg marschierten. Wir lachten, kugelten zwischendurch im Schnee und waren einfach unbeschwert und glücklich. Und im Überschwang der Gefühle rief ich: heute gehn wir erst heim, wenn sich einer den Fuß gebrochen hat. Alles jubelte und schließlich kamen wir zum Wäldchen. In diesem gab es einen Hohlweg und diesen wollten wir hinunterrodeln. Links und rechts dieses Weges führten ca 5 m steile Hänge hinauf. Einen dieser Hänge kletterte ich hinauf, setzte mich hin und losging die Rutschpartie. Plötzlich aber wurde ich immer schneller und schneller, bremsen war nicht möglich, sah den Boden näher kommen und streckte im letzten Moment den rechten Fuß aus um abzubremsen. Ein stechender Schmerz durchfuhr mich. Gleichzeitig wurde mir so schlecht wie noch nie in meinem jugendlichen Leben. Zusammengekrümmt lag ich da und rief: Hilfe, ich hab mir den Fuß gebrochen! Ja ja lachten die anderen und begannen mich mit Schneebällen zu beschießen. Aber schließlich erkannten alle mein Weinen als echt, und ich wurde auf der Rodel liegend nach Hause geschoben. Rettung-Spital-Röntgen. Nix gebrochen. In drei Tagen Kontrolle. Ich bekam einen Verband und die Rettung brachte mich heim. Ich hatte weiter starke Schmerzen und hielt nicht einmal eine leichte Decke überm Fuß aus. Die Nacht war furchtbar. Mein Vater war verärgert, ob seiner wehleidigen Tochter, da der Fuß ja nicht einmal gebrochen war.
Am nächsten Morgen war es um nichts besser. Im Gegenteil. Ich bat den Verband runterzugeben, da alles immer enger wurde. Der Fuß um den Knöchel war noch mehr geschwollen und blau und lila verfärbt. Zwei Nächte musste ich noch durchhalten. Die waren besonders arg. Im Zimmer war’s kalt. Decke ertrug ich nicht über dem Fuß, also Zehen eiskalt. Dann übte ich gehen, denn ich musste ja ins Krankenhaus kommen. Wir und auch keiner der Nachbarn hatten ein Auto. Nein, meine Eltern riefen nicht die Rettung. Das kam ihnen gar nicht in den Sinn. Man schaute selber wie man hinkam. Gebrochen war ja nichts. Für einen flotten Geher war das Spital in einer Viertelstunde erreichbar. Am dritten Tag gings so halbwegs vom Bett ins Klo.
Dann kam Tag 3. Spitalskontrolle. Meine Mutter rechts eingehakt, ein Nachbar links. So schleiften sie mich ins Spital. Ein Arzt drückte! auf meinen Knöchel und eine Sirene ertönte, das war ich. Röntgen, doppelter Knöchelbruch. Also doch, ich bekam einen Liegegips und wurde im Rettungswagen heimgebracht. Ein Sanitäter trug mich hinauf und ich hielt triumphierend Einzug. Mein Vater hatte erschrockene, schuldbewusste Augen. An diesem Abend schlief ich glückselig ein.
© Pretulia 2020-11-22