Überraschung

Daniela Eva Kersten

von Daniela Eva Kersten

Story

Nichts ist schöner, als eine gelungene Überraschung. Zumindest für Menschen, die sich gerne überraschen lassen. Es ist unser erstes Mal: Ich bin aufgeregt, aber vorbereitet. Noch nie war unser kleiner Mitreisender auf Tour. Der Aufstieg ist relativ leicht, die Strecke atemberaubend, die Touristen rar. Auf meinen Schultern lastet das Gepäck von drei Menschen für zwei Tage, um meinen Hals baumelt ein altes aber schweres Schmuckstück meines Vaters.

Er ist ein wortkarger Mann, begeistert für die Natur und Puzzle. Wenig Zeit und kleines Geld bestimmen seinen Alltag, doch große Momente prägen meine Erinnerungen an ihn. Jedes Jahr besuchen wir einen Freizeitpark. Von Wasserspiel und Tierpark bis Achterbahn; jede von uns genießt den Ausflug in vollen Zügen. Nach sehr vielen Fahrten in wild kreisenden Tassen holt er sich seinen wohlverdienten Kaffee und wir uns ein Eis. Ich genoss den Tag. Er war perfekt. Mit meinem Eis in der Hand spazierte ich durch den Souvenirladen und da hing er: eingequetscht zwischen großen und kleinen Kuscheltieren, Tieren aus allen Ländern der Welt. Mit seinen großen braunen Augen sah er mich an und ich verliebte mich auf der Stelle in ihn. Er erinnerte mich an einen kleinen Esel, den ich mal in einer Weihnachtskrippe gesehen hatte. Der Streichelzoo darin war lebendig; für mich bis heute eine der schönsten Erinnerungen an Weihnachten. Ich sah den Esel an. Er war nicht so mächtig und erhaben wie ein Pferd, irgendwie tollpatschig mit seinen großen Ohren und lange nicht so grazil und hatte ein ganz zerzaustes Fell. Dieses Tier war so perfekt unperfekt, dass ich mich Hals über Kopf verliebte.

Mit dem Kaffee in der einen Hand und die andere Hand hinter dem Rücken versteckt schlenderte mein Vater um die Ecke. Er nahm mich in den Arm und im Nacken spürte ich flauschige, lange Ohren.

Die letzten Sonnenstrahlen streicheln den Horizont sanft in den Schlaf und wir können unser Glück, den atemberaubenden Ausblick nicht teilen zu müssen, kaum glauben. Als die Nacht längst hereingebrochen ist und unser Zelt steht, legen wir den kleinen Reisenden in unsere Mitte und kuscheln ihn zur guten Nacht. Noch eine Weile wälzt er sich unruhig hin und her, doch als er die flauschigen, langen Ohren seines Gefährten ertastet, fällt er in einen tiefen und traumlosen Schlummer.

© Daniela Eva Kersten 2022-08-31

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