von Dominik Stropek
Ich glaube jetzt ist ein Moment, um das erste Mal zumindest ein wenig aus dem Muster eines Stadtrundgangs zu fallen. Zwar sind die Orte durchaus nah beieinander und man könnte sie leicht in einer Tour abgehen, jedoch ist das Thema diesmal ein anderes. Ich erwähne sie nicht unbedingt aufgrund ihrer geografischen Nähe in einem Atemzug, sondern wegen ihrer thematischen Verbundenheit. Sie alle möchte ich nämlich unter dem Begriff Überraschungen zusammenfassen.
Tausende Impressionen tagtäglich. Was überrascht da schon? Vielleicht ein öffentlicher japanischer Garten mitten im noblen Wiener Wohnbezirk, nur wenige Meter vom Stadion Hohe Warte entfernt? Der Setagayapark ist umgeben von schicken Wohnhäusern, der alten Straßenbahnlinie 37 und einem Altersheim. Er ist die Überraschung mit der die breite grüne Allee an einem ihrer Enden auftrumpft. Ich weiß nicht, wo man so eine Parkanlage vermuten würde, hier aber vermutlich nicht.
Alles ist sauber aufgeräumt und gepflegt. Eine kleine Brücke führt über den angelegten Teich. Der Park hat etwas höchst anmutendes. Er wirkt weniger gemütlich und rustikal als der klassische österreichische Park, aber entführt die Seele dafür an einen ganz abgelegenen Ort. Der Setagayapark wirkt nicht wie eine billige Kopie, er möchte nicht imitieren. Er ist lediglich inspiriert von der japanischen Gartenbaukunst und Fauna. Keine kitschigen oder klischeehaften Statuen oder willkürliche Schriftzeichen, die nur zur Dekoration dienen. Japan als Vorbild, nicht als Vorlage zum Abpausen.
In Wohnbezirken findet man in der Regel keine klassischen Sehenswürdigkeiten, wie alte Kirchen oder Regierungsgebäude, keine antiken Bauten oder Ausgrabungen, keine monumentalen Plätze oder bedeutende Denkmäler. Aber Döbling als einstiger Vorort Wiens ist da anders. Er ist nicht künstlich aus dem Boden gestampft worden, um die Bevölkerungsmassen der Großstadt unterzubringen.
Deshalb findet man am Pfarrplatz Heiligenstadt, nur einen Katzensprung von der Grinzinger Straße entfernt, die alte Pfarrkirche St. Jakob. Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass sie zum Teil aus einer längst vergangenen Zeit stammt. Aber selbst ich habe vor der Recherche nicht geahnt, dass die Ursprünge der Kirche über 1.000 Jahre zurückliegen. Ein Zeichen der langen und beständigen Geschichte des Bezirks. Döbling und seine Kirchen haben einiges überdauert, die Zeiten waren hier nicht immer so rosig, wie sie es heute sind.
Auch die dazugehörige Pfarrkirche St. Michael an der Ecke Grinzinger Straße – Hohe Warte, ist beinahe genauso alt. Sie ist wesentlich monumentaler und es ist immer wieder beeindruckend, wie ihr hoher Kirchturm mit dem großen Ziffernblatt aus der Ferne zwischen den umliegenden Häusern herausragt. Innen ist sie modern ohne dabei Stil und Klasse zu verlieren. Sie zeigt, dass etwas fast 1.000 Jahre bestehen kann und sein Gesicht trotz des inneren und äußeren Wandels nicht verlieren muss. Wie ein Chamäleon hat es sich angepasst an die heutige Zeit, ohne dabei seinen Charme abzugeben.
Kein Wunder, dass es Beethoven (und Grillparzer) hier gefallen hat. Warum ich, dass weiß? Na, weil er sonst wohl kaum an gleich zwei verschiedenen Orten hier gelebt hätte. Überrascht?
© Dominik Stropek 2023-08-31