Ăśberraschungsbesuch

Stephan Hofinger

von Stephan Hofinger

Story

Eigentlich suche ich in diesen Morgenstunden am Attersee das Alleinsein und die Stille. Wenn ich noch ein wenig schlaftrunken mein SUP-Board ins Wasser gleiten lassen, sind die Badeplätze noch verwaist und die tief einfallenden Strahlen der kürzlich aufgegangenen Sonne glitzern tausendfach auf der vom Wind leicht gekräuselten Oberfläche.

In dieser meditativen Stimmung ist mir die Natur ganz nah. Die erwachenden Sinne öffnen sich weit, während ich fast lautlos dem Ufer entlang paddle. Der See trägt verlässlich und lässt seine Ruhe spüren. Das Schilf raschelt und höher oben in den Baumkronen üben einige junge Falken das Fliegen. Der ferne Motor eines Fischerbootes ist das einzige Störgeräusch, aber auch das fügt sich ein.

Mit achtsamer Offenheit lässt sich der Zustand dieses stillen Beobachtens am besten beschreiben. Berührbar und offen für Resonanz mit allem, was sich zeigen mag. Der Reiz dieser Morgenstunden liegt in ihrer völligen Unverfügbarkeit, ein Begriff, den der Soziologe Hartmut Rosa dafür (auch als Buchtitel) verwendet. Nichts lässt sich erzwingen, alles geschieht. Loslassen von Erwartungen und Kontrolle, Einlassen auf den Augenblick. Immer mehr breitet sich so ein Gefühl des Eingebettet-Seins aus.

Irgendwann höre ich auf zu paddeln und überlasse mich im Yogasitz der leichten Brise. Wohin wird sie mich treiben? Ich schließe die Augen.

Bis plötzlich ein seltsames Geräusch den Frieden auf meiner einsamen Insel durchbricht. Mit einem blinzelnden Auge sehe ich, wenn eine tollpatschige Jungente neugierig das Board erklimmt. Und ihr ebenso mutiges Geschwister gleich hinterdrein. Regloser als zuvor in der Meditation verharrend, beobachte ich ihr neugieriges Erkunden, versuche, die vertrauensvolle Annäherung nicht zu stören. Die Mutterente umkreist uns mit wachsamem Blick – jederzeit bereit, rettend einzugreifen. Ganz behutsam, wie in Zeitlupe greife ich nach einiger Zeit zu meinem wasserfest verpackten Handy, um die Idylle festzuhalten. Sie scheint einverstanden.

Da mein Frühstück an Land wartet und nichts Essbares an Board zu finden ist, rutschen die beiden Entlein dann auch alsbald wieder ins Wasser zurück. Zurück bleibt der Zauber eines dieser nicht verfügbaren, geschenkten Momente, in denen uns das Leben schutzlos berührt. Und uns beglückt weiterpaddeln lässt.

© Stephan Hofinger 2020-08-25