Mit zügigem Grundschlag stachen Geri und ich von Furt aus in die Fluten des Wolfgangsees und bald schon stellte sich heraus, dass eine kurze verbale Einschulung nicht ausreicht, um die christliche Seefahrt zu erlernen. Das störrische Boot drehte sich immer wieder in eine Richtung, die nicht der Fahrtrichtung entsprach und unser Gegensteuern mit J-Schlag und Bogenschlag war meist wirkungslos. Trotzdem näherten wir uns der Falkensteinwand in einem Zick-Zack-Kurs, teils rückwärts, teil seitwärts und gelegentlich war der Bug sogar vorne. An Bord hatten wir Verpflegung und Kletterequipment, denn wir wollten die 150 m hohe Felswand auf einer Route erklettern, die nur mit Boot erreichbar ist. Der Routenname „Seenot“ stammt aber von den Erstbegehern und nicht von unserer Irrfahrt. Nach etwa 40 Minuten, laut Beschreibung sollten es 20 sein, erreichten wir die Wand und banden das Boot an einen der Haken, die am Einstieg der Route angebracht sind. Alles war aufregend und spannend, erst die Bootsfahrt, und jetzt mussten wir einmal an die Felswand gelangen, ohne ins Wasser zu fallen, denn wer möchte an einem kühlen Oktobertag baden gehen. Geri knotete die beiden Seilstränge an seinen Gurt, kletterte an guten Griffen aus dem Boot und sicherte sich an den Haken, die etwa 3 m über dem Wasser angebracht waren. Nun stemmte er sich mit den Beinen vom Fels und zog das Doppelseil aus dem Boot, um es sorgfältig in Schlingen über die Beine zu hängen. Ich hatte mich inzwischen in das andere Seilende eingebunden. Geri hatte bald das ganze Seil eingezogen und legte die Gefährtensicherung für mich ein, so konnte ich am straffen Seil aus dem Boot steigen, an Geri vorbei klettern und den Vorstieg für die erste Seillänge übernehmen. Der plattige feste Fels war perfekt fürs Klettern, die Griffe und Tritte waren genau auf unserer Können abgestimmt, sodass wir problemlos höher kamen, aber dennoch richtig gefordert waren. Unter uns wiegte sich das Boot sanft im ruhigen See und kaum hörbar klatschten winzige Wellen an den Fels. Bald kletterte ich einen langen, luftigen Quergang gut 50 m über dem Wasser. Ich bewältigte Kletterstellen, die schwierigkeitsmäßig an die obere Grenze meiner Möglichkeiten reichten, überraschend gut. Zum einen war es hier ruhig und beschaulich, mit grandiosem Tiefblick und herrlicher Aussicht auf den See, zum anderen war durch die Ausgesetztheit der Tour während des ganzen Anstieges Spannung und Abenteuer spürbar. Wir näherten uns dem Ausstieg mit dem Bewusstsein, dass gerade ein Klettertraum Realität geworden war! Das Abenteuer war allerdings noch nicht zu Ende. Wir mussten uns ja über die Wand abseilen, um wieder zum Boot zu gelangen. Trotz meiner Erfahrung ist eine gewisse Überwindung nötig, sich rücklings über eine 150 m hohe Kante ins Seil zu hängen, aber dann kann man eine „Abseilfahrt“ richtig genießen. Bald bewegten wir unser Boot mit gemütlichen Paddelschlägen, diesmal sogar Bug voran, zum flachen Ufer bei Furt.
© Robert Sedelmaier 2020-03-31