Überraschung gelungen – Torte schmeckt

G.F. Stöger

von G.F. Stöger

Story
2020

Da stand ich also vor meiner sprachlosen Mama* (nachzulesen in meiner letzten Geschichte). Ich hatte meine Eltern mit dem Besuch überrascht, da Papa seinen Geburtstag am Folgetag begehen würde. *zur Erklärung: ich wohne am anderen Ende von Österreich*

Ich hatte ihm bereits vor Jahren eine Schwarzwälder-Kirsch-Torte an seinem Geburtstag zugesagt. Aufgrund der demografischen Distanz als auch der erziehungstechnischen Umstände war es ihm bislang verwehrt geblieben.

2020 nun klappte es endlich. Die Zutaten waren nach der 6 Stunden Zugfahrt erworben worden. Bevor es ans Handwerk ging wurde noch der Tante und meiner Oma ein Besuch abgestattet. Anschließend lauschte ich der Musikkapelle Amstetten beim Platzkonzert (endlich meine Freundin mal live hören!).

Bis die Backsession losgehen konnte, zeigte die atomuhrangepasste digitale Zeitanzeige meines Erzeugers halb 9.

Zuerst den Mürbteigboden kneten. Die Form rein in das elterliche Backrohr, brav den Timer gestellt und nach dem Piepen entnommen.

Schock Nummer 1: der Boden war schon seeeehr braun … der blanke Schrei der Verzweiflung ließ meine Mutter eilends erscheinen. Sie pragmatisch dreht den Boden um und meint: „Diese Seite ist ja eh schön!“ Ok. Ich lasse Papa entscheiden. Ist ja schließlich seine Torte. Glück für mich ist er in solchen Punkten unkompliziert. Also ging’s mit der Biskuitschicht weiter. Da passte ich – nun gebrandmarkt – ganz besonders auf.

Während die Böden auskühlten, wurde die Kirschmasse gerührt. Anschließend noch ein ganzer Liter Schlagobers (=Süßrahm bzw. Sahne) cremig schlagen und der schönste Teil konnte starten…zusammen bauen und verzieren.

Das Ergebnis seht ihr im Titelbild.

Aufgrund der Kälte zum Frühlingsende entschlossen wir uns, die Torte am Balkon zu kühlen (das Sahnesteif sollte ja seinen Dienst tun).

Am Morgen Schock Nummer 2: Eine gefühlte Ameisenkollonie umkreiste das Kunstwerk in abgestimmter Choreographie, als würden sie die Tortengöttin selbst anbeten.

Vor Schreck wäre mir beinahe das Tablett aus den Händen gefallen. Der histerische Schrei alarmierte neuerlich meine Mutter, welche half, das Malheur ihrer ursprünglichen Aufgabe zuzuführen und die Torte umzulagern. Die letzten Einzelkämpfer waren alsbald ausgemerzt und die Schwarzwälder dem Jubilar präsentiert worden (der hatte das ganze schon mitbekommen und lachte).

Das Backwerk war trotz des seeehr braunen Bodens und eventuellen Ameisen-Knabberspuren ein Gedicht. Papa hatte eine Riesenfreude und das war schließlich die Mission gewesen.

Wir alle genossen die gemeinsame Zeit, quatschten, lachten, diskutierten Rechtssachen, spielten Jolly und tranken wesentlich mehr als eine Flasche Birnencider…

Am Sonntag lud uns mein Bruderherz noch zum Essen ein. Und so ging ein wundervolles Wochenende zu Ende.

Ich sitze bereits im Zug Richtung Heimat, Mann und Kindern. Aber es zählt gerade nur eins: Überraschung gelungen – Torte schmeckt!

© G.F. Stöger 2020-06-21

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