Um des Friedens Willen

MarieStoeber

von MarieStoeber

Story

Isabell klingelten bereits die Ohren. Mit durchdringender Stimme schimpfte ihre Schwägerin schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Sie hatte sich aber fest vorgenommen, sich nicht einzumischen. Das war nicht ihr Krieg. Ihre Eltern und ihr Bruder hatten sich das selbst eingebrockt. Und jetzt sollten sie diese Suppe auch auslöffeln. Dass dieses Konstrukt aus Halbwahrheiten und gut gemeinten Lügen irgendwann in sich zusammenfallen würde, hatte sie schon lange gewusst. Aber eigentlich hatte sie nicht dabei sein wollen, wenn die Bombe platzte. Aber jetzt saß sie schon zwei Stunden in der Küche ihres Bruders und hatte beobachtet, wie das „klärende Gespräch“ kippte, bis schließlich der alles entscheidende Satz fiel. Ausgerechnet von ihrem Vater. „Nein, wir ziehen nicht zu euch. Wir ziehen nach Warnemünde.“ BÄM. Das sonst so blasse Gesicht ihrer Schwägerin Melanie hatte innerhalb von Sekundenbruchteilen eine so ungesunde rote Farbe angenommen, dass Isabell dachte, ihr Kopf würde explodieren. Und dann war es losgegangen. „Habt ihr eigentlich auch nur eine Sekunde an euer Enkelkind gedacht? Seit so langer Zeit freut er sich, dass Oma und Opa bald ganz in seiner Nähe wohnen werden. Was soll ich ihm denn jetzt sagen?“ Melanies Versuche, Isabells Vater ein schlechtes Gewissen zu machen scheiterte schon zum wiederholten Mal. Ihre Mutter hatte wenig gesagt und das „Schlachtfeld“ ihrem Mann überlassen. Der bewies deutlich mehr Ausdauer als Isabell erwartet hatte. Dass ihr Bruder stumm, wie ein Fisch am Tisch saß, wunderte sie hingegen gar nicht. „Wir hatten wirklich gedacht, ihr würdet uns endlich mal mit Justus unterstützen. Wenn er in die Pubertät kommt, hättet ihr euch auch mal beteiligen können.“ Isabells Blick schoss hoch und starrte ihre Schwägerin an. Das hatte sie nicht wirklich gesagt, oder? Ohne es verhindern zu können löste sich ein kleiner, prustender Lacher aus ihrer Kehle. Melanies Kopf schoss zu ihr herum und ihre kleinen Schweinsaugen fixierten sie. „Entschuldigung, ich dachte … also du hast doch einen Witz gemacht, oder?“ Melanie kniff die Augen zusammen. „Wieso sollte ich jetzt einen Witz machen, Isabell?“, fragte sie kalt. „Du willst doch nicht andeuten, dass meine Eltern sich noch nie an eurer Erziehung beteiligt hätten.“ Isabell ließ es wie eine Frage mitklingen, auch wenn sie die Antwort längst kannte. „Aber es ist so!“, brauste Melanie auf. Isabell zog langsam eine Augenbraue in die Höhe. Ihre Mutter warf ihr einen alarmierten Blick zu. „Isa …“, murmelte sie, doch Isabells Geduldsfaden war gerissen. Zum Teufel damit sich nicht einzumischen! Melanie war zu weit gegangen. „Jetzt hör mir mal ganz genau zu.“ Isabells Stimme war gefährlich leise. „Meine Eltern haben sich seit der Geburt von Justus auf den Kopf gestellt, um für euch da zu sein. Haben sich dein Gejammer angehört und versucht dir zu helfen. Aber Madame hat ja alles besser gewusst! Sie haben sich immer wieder angeboten und du hast ihnen Justus die ersten Jahre völlig entzogen. Und jetzt, wo er dir zu anstrengend wird, weil er nicht nach deiner Pfeife tanzt, würdest du ihn am liebsten zu Oma und Opa abschieben. Dafür sind sie dir recht! Du hast sie verplant. Ihre ganze Rente verplant, damit es DIR passt.“ Mit jedem Wort wurde Isabell lauter. „Jetzt entziehen sie sich Deinen Plänen und Deiner Kontrolle und Du wirst unverschämt! Dazu hast Du kein Recht!“ In der plötzlichen Stille hörte Isabell ihr Blut rauschen. „RAUS!“ War Melanies Antwort.

© MarieStoeber 2024-04-04

Genres
Anthologien
Stimmung
Emotional