Um mich das normale der Angst

Linda Riedel

von Linda Riedel

Story

Wie soll ich diesen Zustand des Außenseiters bezeichnen, wenn ich nicht weiß, wie es ist, wenn man sich dazugehörig fühlt? Diese Ängste über Situationen, die niemals eintreffen würden, die ich aber stets vor mir sehen kann. Ich fühle diese utopische Lage bereits, erfasse meine Schmerzen und schlagartig rauschen in meinem Kopf weitere unzählige Dialoge und fortführende Szenarien durch. Nichts davon ist greifbar. Die Angst bändigt meinen Körper, meine Sinne und die Wahrnehmung. Mein Leben lang sehe ich die Menschen an und verstehe nicht, wie sie keine möglichen Gefahren wahrnehmen können. In der kleinsten Berührung liegt das Unheil, ein möglicher Hinterhalt und eine ganze zerbrochene Welt, meine Welt. Wie fremdgesteuert suche ich meine Höhle auf, hoffe auf das Ende des unvermeidlichen Schreckens. Ziehe mich zurück und unterdrücke das Zittern. Ich warte panisch, bis sich jener ‚Feind‘ von allein verabschiedet, auch in der Hoffnung mich nicht bemerkt zu haben. Menschen und deren Folgen sind unberechenbar. Mein Kopf schreit und windet sich, wenn ich unter ihnen bin. Selbst wenn nicht, ist das kein Siegel für den Frieden. „Verschwinde, denn jetzt wird dein Leben in Gefahr sein!“, „Weshalb, wenn ich hier zu Hause auf dem Sofa sitze und in den Fernseher schaue? Hier kann mir doch nichts geschehen.“„Ja, oh doch. Auch deine Familie gehört zu dieser Gattung Mensch, das hieße, dass sie mit einem Schlag vor deiner Tür stehen und dir schaden könnte. Eventuell wird jemand unter dir ein Feuer legen? Oder was, wenn ein Witzbold aus Langeweile bei dir einbrechen sollte? Willst du irgendwas davon riskieren? Los, verschließ die Tür, schalte die Klingel auf stumm und nimm keine Anrufe entgegen. Enthalte dich der Welt, bis du unsichtbar für sie geworden bist.“ Diese alltäglichen Gesprächsfetzen mit mir selbst, verliere ich zwar nicht immer, aber oft. Schließlich will ich überleben. Nein, Überleben ist ein Reflex des Geistes, sogar des Körpers. Nicht einmal das habe ich in der Hand. Bin regelrecht erblindet durch die Anfälligkeit meiner jahrelangen Krankheit. Blind für das Normale, das Gutgemeinte und für liebevolle Menschen. Lieben ist einfach. Doch wenn jemand mich zurück lieben möchte, dann regiert die Panik in mir. Irrsinnig und fehlgeleitet, rät mir meine Angst, dass alles nur eine List meines Gegenübers wäre. Niemand würde mich lieben, wenn er mich wirklich kennt. Alles an mir ist seltsam, so verkehrt. Selbst meine Störung läuft über die medizinischen Grenzen hinaus und dann wird mir vorgehalten, dass ich es als Faulheit tarne. Am liebsten würde ich es jeden ins Gesicht schreien und ihnen dabei an den Haaren zerren, nur damit sie aufhören, mich als unfähig abzustempeln. Ich habe Angst, eine irrationale Angst vor der Angst. Sie lässt mich fast wahnsinnig werden und nichts davon wird ernst genommen. Wozu auch? Schließlich bin ich doch nur ein Außenseiter.


 


 


© Linda Riedel 2024-11-03

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